von Georg Ismael (REVOLUTION) und Martin Suchanek (ArbeiterInnenmacht),
Die AfD fällt durch ihre rassistische Hetze offenkundig nicht nur in Deutschland auf. Gunnar Beck, AfD-Kandidat zu den Europawahlen, unterrichtet seit Jahren Rechtswissenschaft an der Londoner SOAS (School of Oriental and African Studies) und verbreitet dort reaktionäre, rassistische und geschichtsrevisionistische Positionen.
Hoffentlich nicht mehr lange! Eine Versammlung der Studierenden an der SOAS forderte am 14. Mai, Beck mit sofortiger Wirkung die Lehrbefugnis zu entziehen. Am Freitag, dem 17. Mai soll diesem Beschluss durch eine öffentliche Kundgebung unter dem Titel „Cancel Gunnar Beck: Far-Right out of SOAS“ Nachdruck verliehen werden. Die Universitätsleitung hat sich zwar von Becks politischen Ansichten distanziert, hält aber an seiner Anstellung im Namen der „Freiheit der Wissenschaft“ fest.
Diese Freiheit besteht anscheinend darin, dass Beck in seinem Blog endlose geschichtsrevisionistische Litaneien von sich gibt, Kohl und Merkel des „deutschen Selbsthasses“ bezichtigt. Wie so viele seiner „KameradInnen“ will er einen rechten Schlussstrich unter die „ständige Diskussion“ über Deutschlands Vergangenheit ziehen. Wie viele aus dem rechten Lager fantasiert er über die „Einschränkung der Redefreiheit“ von RassistInnen, BestsellerautorInnen und Dauergästen in Talkshows wie Sarrazin, die nur auf die „erschreckend geringe Geburtenrate“ der Deutschen hingewiesen hätten.
Zu Recht hält die Vollversammlung der Studierenden fest, dass Becks rassistische und rechte Gesinnung sowie die Unterstützung für eine Partei, die mit FaschistInnen und rassistischen SchlägerInnen zusammenarbeitet, nichts mit Meinungsfreiheit zu tun hat. Ihr Beschluss verweist nicht nur auf seine Gesinnung, sondern auch auf wiederholte chauvinistische, sexistische und rassistische Bemerkungen und verbale Übergriffe Becks gegenüber Studierenden, insbesondere solche aus halb-kolonialen Ländern, religiöse, ethnische und nationale Minderheiten. Einzig die bürokratischen Prozeduren der Universität verhinderten, dass sich Beck schon früher verantworten musste.
Es ist höchste Zeit, dass der Rechtspopulist Gunnar Beck Studierende mit seinem reaktionären Mist und rassistischen Pöbeleien nicht länger belästigen darf. Bezeichnenderweise erlangte der „Fall Beck“ jedoch aus einem anderen Grund öffentliche Aufmerksamkeit. Der Rechtswissenschafter nimmt es nämlich, wie die AfD in Sachen Parteienfinanzierung, selbst nicht so genau mit dem Recht, wenn es um die Zwecke des eigenen Ladens geht. Im Wahlkampfmaterial zur Europawahl präsentierte sich Beck als „Professor“ an der SOAS und als „Fachanwalt für Europarecht“. Er ist, wie ein Beitrag des Deutschlandfunks belegt, weder das eine noch das andere. Den Titel „Fachanwalt für Europarecht“ gibt es gar nicht. An der SOAS ist Beck als „Reader in Law“ beschäftigt, was in etwa einem/r DozentIn in Deutschland entspricht.
Natürlich regt sich Beck über die angebliche Hetze auf, die antirassistische Studierende und Beschäftigte an der SOAS gegen ihn veranstalten würden. Dabei hat die AfD noch vor wenigen Monaten zur Denunziation linker und antirassistischer LehrerInnen aufgerufen und Beschwerdeportale online gestellt. Das war für den Nationalisten offenkundig in Ordnung, ging es doch bei den Denunziationsplattformen darum, „vaterlandslose“ LehrerInnen an den Pranger zu stellen. Jetzt inszeniert sich Beck als „Opfer“.
Dass die Leitung der SOAS angesichts der Forderungen der Studierenden rumeiert und letztlich einen Rassisten entgegen der Interessen der Studierenden, Beschäftigten und des restlichen Lehrpersonals verteidigt, wirft auch ein bezeichnendes Bild auf die bürgerliche Wissenschaft. Während z. B. DozentInnen, LektorInnen und Studierende, die sich für die BDS-Kampagne und das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes einsetzen, mit dem Rausschmiss aus Unis bedroht werden, während Linke, die sich mit Befreiungsbewegungen solidarisieren, als „undemokratisch“ gebrandmarkt werden, müsse rechte Hetze als Bestandteil der „Freiheit“ hingenommen werden. Dieser Doppelstandard verweist nur darauf, welchem Klasseninteresse die bürgerlichen Universitäten, selbst wenn sie sich zur Zeit als „antikolonialistisch“ präsentieren, letztlich verpflichtet sind.
Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass die SOAS aktuell unter dem „Sachzwang“ der zunehmenden Privatisierung und Neoliberalisierung der Bildung massive Kürzungen durchführt, die die Arbeitsplätze etlicher Beschäftigter bedrohen. Diese fallen natürlich nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit, wenn es nach dem Management der Universität geht. Sie sind einfach nur zu teuer.
In Wirklichkeit gibt es kein Recht auf Rassismus im Namen der Meinungsfreiheit oder der Wissenschaft – jedenfalls nicht für alle jene, die gegen Rassismus, Chauvinismus, Nationalismus und Faschismus kämpfen!
Dass die Studierenden die Entlassung von Gunnar Beck fordern, ist also kein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Sie dient vielmehr dem Schutz derer, die an der Universität lehren und lernen. Sie bringt die Solidarität mit den Geflüchteten zum Ausdruck, die im Mittelmeer sterben, mit den SüdeuropäerInnen, die unter den von Deutschland zu verantwortenden Spardiktaten leiden, und mit ArbeiterInnenbewegung, gegen die sich das „Sozial“-Programm der AfD richtet.
Die Umstände an der SOAS und die Erfahrung mit Denunziationskampagnen der AfD zeigen aber ein Weiteres auf. Wer an Schulen und Universitäten lehren kann, wer eingestellt und gefeuert wird, sollte nicht in den Händen des Managements oder des Staates liegen, der sich bei jeder Gelegenheit gegen linke AktivistInnen richtet, aber rechte HetzerInnen schützt. Die Studierenden, Lehrenden, weiteren Beschäftigten und ihre Gewerkschaft(en) sollen entscheiden, ob rassistische BrandstifterInnen an ihrer Uni lehren sollen oder nicht.
Wir solidarisieren uns mit den Studierenden der SOAS und deren antirassistischen Aktionen! Die Studierenden, Studierendenparlamente, Asten und die Gewerkschaften an den Universitäten (v. a. GEW und ver.di) fordern wir auf, den Kampf an der SOAS zu unterstützen und auch an deutschen Lehreinrichtungen eine Gegenoffensive gegen die AfD zu starten