Von Friedenspolizisten, Korruption und Sklaverei – Endlich wieder Fußball

Die Fußball-WM 2014 in Brasilien ist in vollem Gange. Um Fußball geht es allerdings kaum noch. Vor Ort stehen natürlich die Proteste im Fokus, die sich gegen die Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr richteten und sich schließlich in Proteste gegen die Art der Durchführung der Weltmeisterschaft wandelten. Angekündigt sind Demonstrationen und Blockaden für jedes WM-Spiel. Zu kritisieren gibt es viel, ein Stadion tumblr_mw2805FX9q1qcnmbbo1_500in Manaus, mitten in den Dschungel gebaut, in einer Stadt ohne Profiverein; Spenden von privaten Investoren zur Baufinanzierung, die von der Dilma-Regierung angekündigt wurden belaufen sich exakt auf 0,00€. Bei der Vergabe ging die Regierung von ca. 0 – 20% Steuerbeteiligung an den Kosten aus. Und während Stadien, Hotels und Flughäfen renoviert oder gebaut werden fallen in weiten Teilen des Landes Krankenhäuser, Schulen und Straßen langsam in sich zusammen, wenn es denn überhaupt welche gibt. Ein Gesundheitssystem gibt es in weiten Teilen gar nicht. Ein denkwürdiges Beispiel bürgerlicher Analyse lieferte uns der WM-Rekordtorschütze Ronaldo mit dem Satz: „In Krankenhäusern kann man aber keinen Fußball spielen!“ Danke dafür.

Besonders dramatisch stellt sich allerdings die Situation von Straßenkindern dar, von denen es in Brasilien schätzungsweise 8 – 10 Mio. gibt. Die Polizei liefert die Kinder zu dutzenden mit LKW`s vor die Stadt, auch Gerüchte über Erschießungen kursieren. Die Regierung lässt für die WM auch Auffanghäuser einrichten, einige Straßenkinder-Organisationen kooperieren allerdings nicht. Kritisiert wird vor allem, dass die geplanten Maßnahmen nur zeitlich begrenzt und selbst dafür völlig unzureichend sind. Die Kinder sollen nur während der WM von der Straße verschwinden. Nicht einmal die Unterkünfte sind auf mehrere Monate ausgelegt. An den Problemen und ihren Ursachen ändert sich so natürlich nichts, nichts an der Armut, nichts an den schwierigen Wohnverhältnissen und an der Perspektivlosigkeit. Von Bildung und Arbeit will niemand reden.

In Städten wie Sao Paulo und v.a. Rio de Janeiro wurden Insgesamt etwa 220 Comunidades geräumt, also Tausende von Menschen ihrem zu Hause beraubt. Verantwortlich zeigt sich u.a. die UPP (Unidade de Policia Pacificadora), auf deutsch etwa „Polizeieinheit zur Befriedung“, auch oft Friedenspolizei genannt. Etliche Fälle zeigten die Involvierung der Polizei in Folter und Exekutionen von Jugendlichen in der Präfektur von Rio de Janeiro. Sie füllten die Titelblätter der Zeitungen, wobei dies oft dargestellt wurde, als ob Drogendealer in Schusswechseln mit der Polizei umgekommen seien. Viele dieser Fälle wurden schon widerlegt.

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Aber dies ist kein Privileg von Rio de Janeiro. Auch in Sao Paulo gab und gibt es viele Fälle von Exekutionen und von Gewaltakten der Polizei, v.a., wenn es um Räumungen von Obdachlosen geht, sei es von besetzten Gebäuden oder Ländereien, sei es von zentralen Orten, wo es Konzentrationen dieser Ärmsten der Armen gibt. Diese Gewalttaten gehen zum Teil auch auf das Konto paramilitärischer Verbände, die ihre Mitglieder aus früheren und noch aktiven Polizisten rekrutieren und ein Erbe der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 sind. Damals wurden diese sogenannten Todesschwadronen gegen politische Oppositionelle eingesetzt, heute gegen die rebellierenden Bewohner der ärmsten Teile der Bevölkerung. Offiziell soll es sie heute nicht mehr geben, aber ihre Organisationsform und ihre Praktiken haben überdauert. Diese Paramilitärs werden von Geschäftsleuten und HausbesitzerInnen angeheuert, um z.B. gegen die Straßenkinder vorzugehen, die vor Läden und in Einkaufspassagen betteln, Abfälle sammeln oder stehlen. Brutale Morde zur Abschreckung sind an der Tagesordnung.

Auch in 4 Jahren in Katar wird die Situation kaum eine andere sein. Seit Monaten sind Berichte über „Unfälle“ auf den WM-Baustellen in den Medien, bis zu 185 ArbeiterInnen sollen bisher gestorben sein. Diese Tode sind allerdings die logische Folge von fehlendem Arbeitsschutz (keine Helme, 12-Std.-Schichten im Hochsommer), Unterkünften ohne sanitäre Anlagen, Strom oder fließendes Wasser, kurz: kapitalistischer Verwertungslogik. Die Arbeiter, die oft monatelang keinen Lohn bekommen haben werden trotzdem zur Arbeit gezwungen, indem man ihnen mit einem kompletten Lohnausfall oder der Abschiebung droht. Klagt man gegen den Arbeitgeber, ist man automatisch erpressbar und wird vor die Wahl gestellt, entweder wird die Klage fallen gelassen, oder die Ausreiseerlaubnis wird nicht erteilt. Die Grundlage hierfür ist das sogenannte „Sponsorengesetz“ von 2009, das ausländische ArbeiterInnen in Katar dazu verpflichtet, die Genehmigung ihres Arbeitgebers einzuholen, wenn sie diesen wechseln oder das Land verlassen möchten, es legt auch die Passabgabe der GastarbeiterInnen an ihren Arbeitgeber fest. Es herrschen zwangsarbeiterähnliche Bedingungen.

Ohnehin sind die Löhne sehr niedrig und die Arbeitsbedingungen sehr hart. Es muss in großer Hitze gearbeitet werden. Die GastarbeiterInnen, sie kommen meist aus Südasien, Nepal, Indien, Pakistan, etc., müssen Vermittlungsgebühr zahlen, damit sie überhaupt an einen Job in Katar kommen. Dafür müssen viele von ihnen Kredite aufnehmen, umgerechnet bis zu 3500 Dollar. Das sind in den jeweiligen Herkunftsländern natürlich horrende Summen. Und wenn die Gebühr über einen Kredit finanziert wird, kommen noch hohe Zinsen dazu. Oft sind die Schulden dann so groß, dass sie nicht mehr zurückgezahlt werden können, geschweige denn, dass die Arbeiter nach ihrem mehrmonatigen Aufenthalt einen Gewinn machen.

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Über die Korruption bei der Vergabe ist ja in nahezu jedem verfügbaren Medium schon berichtet worden, der katarische Unternehmer und ehemalige Fifa-Vizepräsident Bin Hammam (inzwischen lebenslange FIFA-Strafe) habe mehrere Offizielle des Weltverbandes mit insgesamt 3,7 Millionen Euro geschmiert, auch Franz Beckenbauer hat ihm ja einen wohldotierten Job zu verdanken. Er ist auch verantwortlich für große Deals Katars mit anderen Nationen rund um die WM-Vergabe und organisierte Treffen zwischen der Königsfamilie Katars und der der FIFA (offizieller Name: Exekutivkomitee). Doch Korruption in der FIFA hat eine Tradition, die nahezu so alt ist wie die FIFA selbst. Bekanntestes Beispiel ist die ISMM/ISL, früher eine Marketingfirma, von der an die FIFA über 115 Mio.€ flossen, war verantwortlich für Fußball-Übertragungsrechte. Sie bestachen u.a. den einstigen Fifa-Präsidenten Joao Havelange und seinen früheren Schwiegersohn Ricardo Teixeira (bekam über 12 Mio.$), u.a. verantwortlich für die WM-Vergabe an Brasilien und bis vor kurzem Mitglied im Exekutivkomitee. Aus diesem sind einige wegen Korruption und Bestechung bereits entlassen worden, andere behielten ihren Sitz, das FBI und FIFA-Chefermittler Garcia ermitteln weiter.

Allerdings gibt es dort nicht viel zu recherchieren, die Bestechungen sind in dutzenden Fällen erwiesen, laut Vereinsrecht in der Schweiz ist das aber in Vereinen, was die FIFA mit Milliardenumsätzen und jährlich 3-stelligen Mio.-Gewinnen immer noch ist, gar nicht strafbar. Man bedenke dabei die zahlreichen anderen Verbände und Vereine mit Hauptsitz in der Schweiz. Auch von siebenstelligen Boni für offiziell „Ehrenamtliche“ wird in den Medien nicht gesprochen. Doch allein mit diesen beiden Punkten wird klar, jegliche Illusionen in die FIFA und ihre Ethikkommission, wie seitens des DFB (Deutscher Fußballbund) sind völlig unbegründet und auch ein Abgang des erneut antretenden Don Blatter, seit 1998 im Amt, wird am Grundproblem nichts ändern. Solange mit Fußball Geld verdient wird und die WM eine riesige Geldmaschinerie darstellt,- wird sich die Korruption und die Ausbeutung, Räumungen und Morde alle 4 Jahre wiederholen, je nach Situation des gastgebenden Landes in extremer oder abgeschwächter Form.

  • Daher unterstützen wir die Proteste gegen die WM und unterstützen ihre richtigen Forderungen!
  • Baut Krankenhäuser, Schulen und Infrastruktur statt Stadien!
  • Baut Verteidigungskomitees aus BewohnerInnen und ArbeiterInnen für die Comunidades auf!
  • Zerschlagt die UPP und alle anderen Militärpolizeiapparate und Paramilitärs!
  • Abschaffung des Vereinsrechts in der Schweiz
  • Abschaffung des Sponsorengesetzes in Katar und für demokratische, wähl- und abwählbare Kontrollräte aus ArbeiterInnen, die Baustellen, Arbeitsschutz und Unterkünfte kontrollieren
  • Abschaffung aller Forderungen der FIFA ans gastgebende Land, wie z.B. keine Besteuerung aller Umsätze rund um die WM oder Gewinn-Gewährleistungen (Mindestumsätze, Angebotskontrolle rund um
    die Stadien)
  • Enteignet die FIFA
  • Wir brauchen einen demokratischen Verband, der der Kooperation dient und demokratisch und jederzeit wähl-und abwählbar ist, zusammengesetzt aus Fans, SpielerInnen, TrainerInnen und ArbeiterInnen aus Vereinen, Stadien usw.

Ein Artikel von Carlson von und zu Dach

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