Von Polizei erschossener Afghane: Kritiker_Innen werden eingeschüchtert

Zwei Jahre ist es nun her, dass in Fulda der afghanische Geflüchtete Matiullah J. von einem Polizisten erschossen wurde, nachdem er an einer Bäckerei randaliert und Passanten mit Steinen attackiert hatte. Das Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ging von Notwehr aus, der Polizist wurde freigesprochen – basierend vor allem auf seiner eigenen Aussage. Er war der einzige Zeuge, weitere Polizist_Innen allerdings in unmittelbarer Nähe. Was genau am Tag der Tat geschehen ist, wird sich wahrscheinlich nie weiter klären lassen.

Interessant ist aktuell vor allem, wie massiv Staatsanwälte und Polizei gegen all jene vorgehen, die eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse fordern, obwohl dies durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Zum Beispiel wurde von Teilnehmer_Innen der Solidaritätsdemos für Matiullah J. die Frage gestellt, wieso mehrere Polizist_Innen es nicht geschafft haben einen 19-jährigen zu stoppen, ohne ihn zu töten. Sie stellten sich auch die Frage, wie von einem Menschen eine tödliche Gefahr ausgehen kann, wenn er so weit weg ist, dass ein geschulter Polizeischütze von zwölf Schüssen scheinbar achtmal danebentrifft. Auch vor dem Hintergrund aufgedeckter rechter Netzwerke innerhalb der hessischen Polizei wurde argumentiert, dass eine rassistisch bedingte Überreaktion nicht ausgeschlossen werden kann. Deshalb stellte die Demonstration die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung auf.

Heute sehen sich einzelne Teilnehmer_Innen der erwähnten Demonstrationen einer Welle an Repressalien ausgesetzt. Phillip W. wird vorgeworfen den Vorfall als Mord bezeichnet zu haben, weshalb eine Strafanzeige gegen ihn gestellt wurde. Er selbst bestreitet diese Aussage. Ihm sei es lediglich darum gegangen die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung zu unterstützen. Doch diese Strafanzeige ist nur eine von sechs, die im Zusammenhang mit der Demonstration gestellt wurde. Die Tatverwürfe reichen von übler Nachrede und Verleumdung über Beleidigung bis hin zu einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Auch die Anmelderin ist betroffen, weil sie den Sprechchor „Bullen morden und der Staat schiebt ab, alles ein Rassistenpack.“ nicht unterbunden haben soll.

Der Autor Darius R. verfasste einen Artikel über die Tat, in dem er davon schreibt, dass Matiullah mit zwölf Schüssen getötet wurde. Matiullah trafen vier Schüsse, zwei waren tödlich. Abgegeben wurden allerdings insgesamt zwölf Schüsse. Die Frage von rassistischer Polizeigewalt wird in dem Artikel aufgeworfen. Die Staatsanwaltschaft stellte hier einen Strafbefehl von 2250€ aus. Der Vorwurf: Darius R. wollte mit dem Artikel gezielt den Eindruck einer Hinrichtung vermitteln. Mit welchem Eifer die Fuldaer Polizei und Justiz ihre Kritiker_Innen verfolgt wird auch dadurch deutlich, dass die Anzeige gegen Darius R. von dem Fuldaer Polizeipräsidenten persönlich gestellt wurde.

Timo S., der Administrator einer Fuldarer Seite gegen Rassismus ist, musste sogar eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen, nur weil über seine Seite der Artikel geteilt wurde. Die Polizei war angerückt mit dem Ziel, sämtliche technischen Geräte zu konfiszieren. Besonders brisant ist dabei, dass seine Privatwohnung auch Sitz seines Lokalmagazins „Printzip“ ist. Der Anspruch der Verhältnismäßigkeit ist deshalb in dem konkreten Fall höher als bei einer Hausdurchsuchung in einer normalen Privatwohnung. Der Strafrechtsexperte Andreas Hüttl behauptet unter anderem deshalb, dass es mehrere rechtliche Unzulänglichkeiten bei dem Durchsuchungsbefehl gebe.

Diese Welle an staatlicher Repression zeigt abermals im Fall Matiullah J., dass Polizei und Justiz eben nicht unabhängig und neutral sind. Sie verfolgen eine eigene Agenda, welche unter anderem daraus besteht, Kritiker_Innen einzuschüchtern und mundtot zu machen. Wir sind solidarisch mit allen Betroffenen und fordern die sofortige Einstellung aller laufenden Verfahren. Auch die Forderung nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Todesschützen ist legitim und wird von uns unterstützt.  

Wenn ihr euch auch solidarisch zeigen wollt, dann könnt ihr für ein unabhängiges Gutachten in dem Fall spenden. Außerdem könnt ihr Phillipp W., Darius R. und seiner Co-Autorin bei ihren Gerichtsterminen Beistand leisten. Die Termine waren für Anfang April angesetzt, sind jedoch aufgrund der Corona-Krise auf unbestimmte Zeit verschoben. Wir werden darüber informieren, sobald es einen neuen Termin gibt.

Spendenwebseite für ein unabhängige Gutachten: https://www.betterplace.org/de/projects/78990-spende-fur-finanzierung-von-unabhangigen-gutachten-wasgeschahmitmatiullah

#WasGeschahMitMatiullah

image_pdfimage_print

Related Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

74 − 70 =

Besuch uns auch auf

Unser Programm

Neueste Zeitung

Zeitung Februar 2024

Archiv