Mai 2024, REVOLUTION Zeitung, aktualisiert Dezember 2024
Die AfD fliegt weiterhin auf einem Hoch, was sich in den Landtagswahlen am deutlichsten gezeigt hat. Und das ist mehr als bedrohlich: Kann sie ihre Parlamentssitze in Regierungsbeteiligungen ummünzen, sieht es noch düsterer für die Arbeiter:innen und Unterdrückten in Deutschland aus als ohnehin schon. Zur EU-Wahl ist die Partei mit einem Programm angetreten, das zwar vom rechtspopulistisch-wirtschaftsliberalen Flügel inhaltlich dominiert wurde, aber auch eine deutliche Handschrift des völkischen Flügels trägt. Zu den Landtagswahlen war diese noch stärker ausgeprägt, durch die Dominanz des (noch) rechteren Flügels um Björn (Rufname Bernd) Höcke in den entsprechenden Bundesländern. Die AfD fordert ein blutiges Grenzregime und verbindet dies mit der Forderung nach Massenabschiebung, worauf nun auch die anderen großen Parteien eingeschwungen sind. Ebenfalls stellt sie die EU in Frage, will zurück zur nationalen Abschottung. Als Begründung dafür werden gesetzliche Einschränkungen der EU herangezogen, beispielsweise das Verbot von Verbrennungsmotoren für Autos. In diesem Sinne kritisiert sie die Klimapolitik als überflüssig und fordert Rückschritte hin zu Atomkraftwerken und Gas aus Russland.
Ihr „kultureller“ Kampf, der starke Aufmerksamkeit in den Medien erhält, ist auf sexistische und noch mehr auf LGBTQIA-feindliche Angriffe fokussiert. Strategisch verkaufen sie das in den sozialen Medien durch Aufgreifen von toxischer Männlichkeit und „Tradwives“. Diese Forderungen sind aber kein Alleinstellungsmerkmal der AfD: Ein Großteil der anderen Parteien in Europa gehen nach rechts und bauen auf die Festung Europa und fast alle konservativen Kräfte führen einen, mehr oder weniger starken, Kampf gegen Personen die nicht dem Rollenbild der bürgerlichen Familie entsprechen. Besonders stark zeigt sich das am Angriff auf Frauenrechte in den USA und der Ausrufung von LGBTQIA+ freien Zonen in Polen.
Die AfD stellt sich gerne als „Partei der kleinen Leute“ dar, in Wahrheit sind ihre Forderungen, gerade auch die wirtschaftlichen, jedoch das schärfste Schwert der Bourgeoisie gegen die Arbeiter:innen und Unterdrückten.
Die AfD als klarster Ausdruck des Rechtsrucks trägt eine Vielzahl von politischen Differenzen in sich. Vom stramm rechten völkischen Flügel bis zum „wirtschaftsliberalen“ und all jenen, die dazwischen vermitteln wollen, variiert die politische Zusammensetzung von Ort zu Ort stark. In den ostdeutschen Bundesländern wie Thüringen oder Sachsen dominiert der völkische Flügel um Bernd Höcke, während auf Bundesebene weiterhin jene Teile der AfD den Ton angeben, die sich als liberal-konservativ verstehen. Das ursprüngliche Gründungspersonal, das aufgrund der EU-Skepsis die AfD gegründet hat, ist jedoch aus ihrer eigenen Partei geflogen nachdem es den Führungskampf verloren hat. Eine „liberale“ Skepsis der EU scheint nicht mehr auszureichen, um politisch erfolgreich zu sein. Die Krise hat dazu geführt, dass immer rechtere Kräfte den Ton angeben können. Ein Ende dieses Trends ist nicht unbedingt in Sicht, vor allem weil der völkische Flügel gerade Erfolge feiert. Dieser unterhält auch politische Verbindungen zu anderen rechtsradikalen, bis hin zu offen faschistischen, Kräften in Deutschland und der EU.
Der rechtspopulistisch-wirtschaftsliberale Teil verschließt sich dem völkischen Flügel zwar nicht, hat jedoch andere Ziele: Während er versucht sich pragmatisch-bürgerlich darzustellen und darüber realpolitischen Einfluss zu gewinnen, hält zweiterer das für nachrangig und tritt offen rechtsradikal auf. Beide haben allerdings das gleiche Ziel, über die Parlamente ihre reaktionäre Politik umzusetzen, wobei die Art der Umsetzung, über eine Koalition als Juniorpartner der CDU oder durch Hoffnung auf eine völkische Alleinregierung, umstritten ist.
Letztendlich basieren beide auf einem populistischen Ansatz, also einer Politik die Wähler:innen mobilisiert indem man sich im Namen „des Volkes“ gegen „die Eliten“ positioniert. Das zeigt sich sowohl in der Rhetorik als auch darin, dass sie Proteste nutzt und versucht, diese an sich zu binden. Dies passt auch zu ihrem noch immer gerne hochgehaltenen Image als Protestpartei. Widersprüchlich ist daran natürlich, dass die reale Politik der AfD bei einer möglichen Regierungsbeteiligung die Probleme „des Volkes“ nicht lösen würde, sondern im Gegenteil nur noch weiter verschlimmern würde, im Interesse „der Eliten“ oder wie wir sie richtiger nennen würden, der Großbourgeoisie. Die Protest-Basis liegt jedoch vor allem im Kleinbürger:innentum. Deutlich war das bei den Protesten der Bäuer:innen anfang des Jahres. Dabei trat sie mit einer deutlich aggressiveren und aufrührerischeren Taktik auf als zum Beispiel die Union.
Die AfD ist nicht, wie viele sagen, faschistisch. Vor allem sieht man das darin, dass sie darauf ausgerichtet ist, ihre Ziele im bürgerlichen Parlament zu verwirklichen und Proteste auf der Straße oder im Internet dabei höchstens als Vehikel verwendet. Sie stützt sich also nicht auf eine militante und reaktionäre Massenbewegung, mit der sie ihre Forderungen durch Straßenkampf und eine Zerschlagung der Arbeiter:innenorganisationen durchsetzt. Solange es keine starke Arbeiter:innenmacht in den Betrieben und auf der Straße gibt, kann die AfD sowieso ihr komplettes Programm im Rahmen der parlamentarischen Demokratie umsetzen, auch wenn sie bestimmte Elemente wie die Gewaltenteilung und Bürger:innenrechte einschränken müsste. Dafür braucht es ein gewisses taktisches Geschick, aber keine paramilitärischen Straßenbanden.
Um mehr über unsere Faschismus-Definition zu erfahren, schau in den Artikel „Ist die AfD faschistisch?“.
Die AfD spielt also in der aktuellen Klassenkampfsituation eine elementare Rolle der Spaltung im bürgerlichen Lager und ist die radikalste Kraft des Rechtsrucks, also der Verschärfung von Unterdrückung der Arbeiter:innen wie anderer marginalisierter Gruppen. Sie will die Arbeiter:innenklasse schwächen und spalten, indem sie deree Organe angreifen und ihnen Rechte entziehen möchte. Dabei spielt die AfD auch als wahrnehmbare, aber bürgerliche, Opposition eine wichtige Rolle, da sie Illusionen in die Möglichkeit materiellee Verbesserung schürt und die Opposition für sich beansprucht. Da es keine bedeutsame linke Opposition gibt, profitiert sie politisch am meisten von der Krise. Und befeuert damit den Klassenkampf von oben anstatt den von unten.
Die Gesichter der AfD suchen sich Bereiche aus, die sie populistisch thematisieren können, um die Unterdrückung von bereits sozial Unterdrückten weiter zu steigern. Diese verstärkte Unterdrückung soll dann dazu führen, dass die Ausbeutung reibungsloser, und mit weniger „humanitären Hindernissen“ geschehen kann.
Dieses Bestreben ist dabei letztendlich Teil des grundlegenden Charakters des Kapitalismus. Die herrschende Klasse strebt immer danach, überschüssiges Kapital profitabel zu investieren. Seit der Finanzkrise 2007/08 gestaltet sich das jedoch immer schwieriger und dementsprechend muss versucht werden, durch verstärkte Ausbeutung Kapital wieder rentabel zu machen. Die Forderungen von AfD und Co. sind dessen praktischer Ausdruck.
Dabei ist auch der internationalen Charakter der Krise zentral, da es aufgrund der zunehmenden internationalen Konkurrenz für das deutsche Kapital schwieriger ist, im internationalen Wettbewerb mitzuhalten. Aufgrund dessen gibt es in Teilen dessen Bestrebungen, sich mehr auf den Binnenmarkt zu konzentrieren, Protektionismus verstärkt zur außenpolitischen Agenda zu machen. Daher stammt die EU-Skepsis, mit der die AfD thematisch 2013 begonnen hat. Allerdings stellen gerade im stark exportorientierten Deutschland diese Kräfte eine Minderheit dar, und sind lediglich in den kleineren und schwächeren Teilen der Bourgeoisie nennenswert verankert, nicht aber im Großkapital. Anders sieht es zum Beispiel in den USA aus, wo Trump mit seiner Binnenmarktorientierung große Teile der herrschenden Klasse von sich überzeugen konnte.
Die Stärke des Rechtsrucks ist jedoch nicht nur durch seine Ursache und den Druck seiner vorantreibenden Kräfte geprägt, sondern auch durch den fehlenden Widerstand dagegen. Widerstand gegen die Rechten und ihre Politik mag ein Kernthema der Linken sein, jedoch ist die Linke international und vor allem in Deutschland schwach. Das führt dazu, dass der Widerstand gegen den Rechtsruck klein ausfällt und eine klassenkämpferische Alternative zum Programm der Rechten ausbleibt oder zumindest keine gesellschaftliche Signifikanz erreicht. Diese Schwäche der Linken ist darauf zurückzuführen, dass die Führung der Organisationen der Arbeiter:innenklasse, wie Gewerkschaften und sozialdemokratischen Parteien, am bürgerlichen System festhalten und dadurch keinen effektiven Widerstand gegen die Folgen der Krise aufbauen, keine eigene Alternative von Links aufzeigen können.
Von linksliberal-bürgerlicher Seite wird immer wieder ein Verbot der AfD gefordert. Das würde den Rechtsruck zwar möglicherweise bremsen, aber sicherlich nicht aufhalten. Der bürgerliche Staat bewegt sich selber immer weiter nach rechts. Rr ist Teil des Problems nicht der Lösung, da er ein Werkzeug der herrschenden Klasse ist, die selbst unter der Krise nach einer immer unterdrückerischen Politik ruft, und rufen muss. Ein Verbot der AfD würde die Optionen für Repressionen von diesem Staat ausweiten, erfahrungsgemäß am Ende vor allem gegen Linke.
Nötig wäre es hingegen, dass Massenorganisationen der Arbeiter:innenklasse, Gewerkschaften, sozialdemokratische Parteien sowie linkere klassenkämpferische Organisationen, aktiv in Form einer Einheitsfront zusammenarbeiten. Diese müsste Gegenmacht der Arbeiter:innenklasse aufbauen und ein Bewusstsein schaffen, dass man sich aktiv für die eigenen Interessen einsetzen und organisieren muss! Nur so kann der nötige Widerstand gegen den Rechtsruck, ob ausgeführt durch AfD, CDU oder Grüne, sowie eine Alternative zur voranschreitenden Krise des Kapitalismus aufgezeigt werden!