Am 18. Juli hat die Freie Syrische Armee (FSA) mit einem gezielten Schlag gegen die Armee- und Regierungsspitze eine Offensive gegen die syrische Armee begonnen. In allen Städten des Landes kämpft sie nun für die Übernahme der Macht und den Sturz der Assad-Regierung. In Damaskus drang sie zeitweise bis dicht vor den Regierungssitz vor. Alleine in den letzten Tagen sollen viele Tausend Soldaten der Assad-Armee desertiert sein, auch hohe Befehlshaber haben sich dem Aufstand angeschlossen oder in Nachbarländer abgesetzt, um sich vor der drohenden Niederlage zu retten.
Damit ist der Sturz der Assad-Diktatur so nahe wie nie. Als internationale kommunistische Jugendorganisation stehen wir voll an der Seite der Kämpferinnen und Kämpfer, die in dieser Lage unvorstellbaren Mut und gewaltige Opfer aufbringen, um für eine bessere Zukunft der Syrer_innen zu kämpfen. Die syrische Opposition zählte bislang annähernd 20.000 getötete Kämpfer_innen und Bewohner_innen. Die Inkaufnahme solch massenhafter Opfer beweist zum einen die Ausweglosigkeit, in der sich die mörderische Assad-Regierung befindet – zum anderen die unfassbare Überzeugung der Aktivist_innen und der sie unterstützenden Bevölkerung.
Die Getöteten sind Märtyrer_innen nicht nur für die unterdrückte syrische Bevölkerung, sondern für die Unterdrückten des gesamten Nahen Ostens, die ausnahmslos unter der Gewaltherrschaft von Polizei- und Folterstaaten leben – nicht zu sprechen von der israelischen Apartheid in Palästina.
Der Sturz der Assad-Regierung wäre ein Sieg für all diese Unterdrückten. Syrien nach Assad – demokratisch geführt von den Kämpfer_innen der FSA, den Aktivist_innen in den Städten und den Arbeiter_innen – könnte zur Spitze der revolutionären Bewegung im Nahen Osten werden und beispielsweise die Palästinenser_innen in ihrem Kampf um Selbstbestimmung konkret unterstützen. Es könnte auch die Stagnation der Revolution in Ägypten durchbrechen, wo derzeit immernoch Mubaraks Militärrat regiert.
Und ein Sieg der syrischen Revolution wäre auch eine Niederlage für die Imperialisten in Deutschland oder den USA. Die Stalinist_innen und andere nationalbornierte „Revolutionäre“ mögen dies bestreiten – doch wenn die Imperialisten Assad zum Rücktritt oder zumindest zu „Reformen“ zu bewegen versuchen, sollten wir hierrauf keinesfalls mit der Verteidigung Assads reagieren. Auch die Tatsache, dass möglicherweise die Imperialisten selbst, Islamisten oder Agenten anderer Mächte (Saudi-Arabien, Iran oder andere) geheime Operationen in Syrien durchführen, ist kein Grund, der Revolution ihre Legitimität abzusprechen – dies wäre eine Verhöhnung des Massenaufstands, der sich zuallererst auf die berechtigte Empörung der Massen über ihre Verarmung durch eine selbstherrliche und korrupte Gewaltregierung stützt. Wie sollte die syrische Bevölkerung überhaupt einen Aufstand gegen die Regierung führen, ohne sich dem Versuch der Vereinnahmung durch Imperialisten oder andere Feinde auszusetzen?
Die Antwort, die Revolutionäre auf diese Einmischung geben sollten, ist vielmehr das Eintreten für völlige nationale Unabhängigkeit Syriens und der Kampf gegen alle Kräfte, die in diesem Volksaufstand für ein Bündnis mit den Imperialisten (durch UN-Resolutionen oder Kriegsbeteiligung) eintreten. Solange jedoch keine reaktionären Zugeständnisse an die Imperialisten gemacht werden, müssen wir alle nur möglichen Hebel in Bewegung setzen, den Aufstand zu unterstützen und zum Sieg zu führen. Imperialistische Spione oder Agenten müssen, sollten sie enttarnt werden, ebenso wie Assad-Treue als Kriegsverbrecher bestraft werden.
Die „Unterstützung“ durch Imperialisten ist das letzte, was die syrische Revolution braucht – sehr wohl benötigt sie jedoch die uneingeschränkte Unterstützung durch die Arbeiter_innen und Jugendlichen aller Länder. Denn ein befreites Syrien nach Assad wäre den Angriffen Israels, Irans, imperialistischer Armeen ebenso wie der Korruption und dem Ausverkauf durch „westlich-orientierte“ Führer_innen schutzlos ausgeliefert. Es könnte nur bestehen, wenn die Arbeiter_innenklasse Syriens mit der vollen Solidarität der Weltarbeiterklasse sich an die Spitze der Revolution setzt mit dem Ziel, diese auf die gesamte Region auszuweiten – und zugleich unterstützt wird von Ländern wie Ägypten oder Libyen, wo sowohl erfahrene Kämpfer_innen als auch eine weitentwickelte Industrie und Rohstoffe vorhanden sind.
Die Frage des Sieges oder der Niederlage der syrischen Revolution entscheidet sich in diesen Stunden und Tagen. Die Offensive der Aufständischen könnte Assad rasch vertreiben und durch eine demokratisch-revolutionäre Übergangsregierung ersetzen, welche die dringendsten Probleme der syrischen Bevölkerung löst: die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Behandlung der Verwundeten, Herstellung von demokratischen Rechten und die Freilassung aller vom Regime gefangenen Aktivist_innen. Es würde sich jedoch rasch die Frage stellen, welche Kraft in der Lage ist, auf Dauer der Einflussnahme und den Angriffen von Imperialisten zu widerstehen – dies kann nur die Arbeiterklasse sein. Daher zählt auch der Aufbau von unabhängigen Arbeiter_innenorganisationen, Gewerkschaften, Fabrikkomitees usw. zu den wichtigsten Aufgaben für Revolutionäre. Die Linke muss Antworten auf die Herausforderungen der Revolution finden und bspw. die verheerende Politik der „Kommunistischen Partei Syriens“, die fest in Assads Machtapparat eingebunden ist, aufs Schärfste bekämpfen. All jene „Linken“, die – beispielsweise in Deutschland – den berechtigten Aufstand gegen Assad denunzieren und damit der Konterrevolution (durch Assad, Islamisten oder den Imperialismus) das Wort reden, begehen einen unvergleichlichen Verrat an der syrischen Bevölkerung. Sie tragen täglich Verantwortung für das Morden an den syrischen Revolutionären.