Juni 2007 (vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm)
Jedes Jahr, wenn die Staatchefs der G8 in einem abgelegenen, bis auf die Zähne bewaffneten Unterschlupf zusammentreffen, erfreuen wir uns toller Versprechungen und Ausblicke zur Bekämpfung der Armut, Verbesserung der Welt und Lösung von Problemen. Doch jedes Mal müssen wir enttäuscht feststellen, dass die Versprechungen nicht eingehalten werden und sich die Situation auf der Welt, in der Milliarden von Menschen in Armut leben, nicht verändert. Die Ankündigungen der G8 sind nichts weiter als leere Hüllen und eine Methode ihre eigentliche Politik in den Hintergrund zu stellen. So nutzen die Regierungen die G8-Gipfel immer wieder dazu sich als sehr besorgt an der Lage der armen Länder der Welt zu präsentieren. In Wirklichkeit besprechen sie wie sie die Welt weiter ausbeuten können.
Der große Gipfel in Gleneagles
Besonders der Gipfel im schottischen Gleaneagles 2005 wurde als Erfolg gefeiert. Von einem „historischen Durchbruch“ war die Rede. Tony Blair erklärte mit stolzer Brust, der Gipfel habe für Afrika und im Bereich Klimaschutz große Fortschritte gebracht. Doch welche Zusagen wurden gegeben? Die G8 vereinbarten, die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) um 50 Milliarden US$ bis zum Jahr 2010 zu erhöhen. Insgesamt soll die ODA 2010 129 Milliarden US$ betragen¹. Das hört sich natürlich viel an, ist aber lächerlich, wenn man die Zahlen etwas genauer betrachtet. 129 Milliarden US$ würde 0,36 % des Bruttonationaleinkommen (BNE) der reichen Industrienationen entsprechen. Bereits vor über 30 Jahren (!) haben sich diese verpflichtet, die Entwicklungshilfe auf 0,7 % ihres BNE zu erhöhen.² Die G8-Regierungschefs verhandeln eine lächerliche Erhöhung, die nicht annähernd an das heran kommt, was sie bereits vor über 30 Jahren (!) versprochen haben, und verkaufen das als „historischen Durchbruch“. So viel ist von den G8-Versprechungen zu halten! Zudem ist das Problem der Entwicklungsländer nicht im Geringsten durch „Almosen“ der reichen Länder zu lösen. Nur zu oft wird dieses Geld in fragwürdige Projekte investiert (woran vornehmlich Konzerne der reichen Länder beteiligt sind) oder verschwindet sofort in den Taschen korrupter Politiker. Die Ursache der Verarmung dieser Länder, eine ungerechte Weltwirtschaft (der Kapitalismus!), wird durch diese Gelder keineswegs bekämpft. Schließlich sei noch erwähnt, dass die reichen Industrieländer mehr als 1000 Milliarden US$ jedes Jahr für ihr Militär ausgeben³. Außerdem verhandelten die G8 einen Schuldenerlass von 45 Milliarden Euro für 18 bis eventuell 37 (ausgewählte) Staaten. Diese Schulden wurden den armen Ländern durch IWF und Weltbank aufgezwungen und zum schamlosen Vorteil der großen Konzerne ausgenutzt (Öffnung für ausländisches Kapital, Privatisierung, Senkung öffentlicher Ausgaben…)! Heute einen nur kleinen Teil dieser Schulden zu „erlassen“, und das als „historischen Durchbruch“ zu bezeichnen, ist an Sarkasmus kaum noch zu überbieten.
Genauso verhält es sich bei der Frage des Klimaschutzes. Tony Blair verkauft wie alle seine Kollegen (und Kolleginnen) die bloße Absicht, etwas zu tun, ja allein die Bereitschaft, über das Problem Klimawandel zu reden, als Fortschritt. So erklärte er in einer Rede ein Jahr nach Gleneagles stolz: „Wir haben einen neuen Konsens über die Notwendigkeit von Maßnahmen herbeigeführt.“ Und als konkrete beschlossene Maßnahme führt er auf: „Die EU hat unter unserem Ratsvorsitz beschlossen, zusammen mit China ein Musterkraftwerk mit sauberer Kohletechnologie zu errichten.“4 Saubere Kohletechnologie? Welch ein hervorragender Fortschritt, Mister Blair! In Wirklichkeit hat der Gipfel gar nichts erreicht, genauso wenig wie irgendeine EU-Sitzung oder sonst was. Die gegenwärtige Diskussion zum Thema Klimaschutz und das Handeln der Industrieländer belegt das in eindrucksvoller Weise!
Der Gipfel in Heiligendamm
Nachdem man in St.Petersburg 2006 bescheiden war und sich noch in den hervorragenden Ergebnissen aus Gleneagles sonnte, geht es dieses Jahr wieder in die Entwicklungsoffensive. Das Motto der Bundesregierung für den G8 Gipfel lautet „Wachstum und Verantwortung“. Die zentralen Themen des Gipfels sind „Die Ausgestaltung der globalisierten Weltwirtschaft und die Entwicklung Afrikas“. Im Klartext bedeutet das: den Welthandel weiter zu liberalisieren und Investitionsfreiheit zu sichern. Die deutsche G8-Präsidentschaft macht sich wenig Mühe das zu verschleiern. Auf den Seiten des Auswärtigen Amt und der Bundesregierung kann man nachlesen, was in Heiligendamm auf der Agenda steht. „Systemischen Stabilität“, „Transparenz der Finanz- und Kapitalmärkte“, „Investitionsfreiheit“, „Investitionsbedingungen“, „Schutzes von Innovationen gegen Produkt- und Markenpiraterie“.5 Das sind die Schlagworte für die Agenda der G8. In Heiligendamm wird es wieder einmal darum gehen, die Welt unter sich aufzuteilen, das Großkapital zu schützen und die Spielräume abzustecken.
Ein Thema, das in der offiziellen Agenda überhaupt nicht erwähnt wird, aber sicherlich sehr wichtig in Heiligendamm sein wird, ist der Nahe und Mittlere Osten. Schließlich zeichnen sich dort die schmerzhaftesten Niederlagen für den Imperialismus ( im Irak und Libanon) sowie die nächsten großen herbeigeführten Konflikte (Iran) ab. Ein unterworfener und gefügiger Mittlerer Osten a lá Saudi Arabien ist nicht nur für die USA, sondern für den ganzen Imperialismus entscheidend! Am extrem fundamentalistischen Saudi Arabien sieht man daß es nicht um Menschenrechte und religionsunabhängige Regierungen geht, sondern nur um Hörigkeit gegenüber den Konzernen. In Heiligendamm wird auch beraten werden, ob der Iran als nächstes Ziel nun angegriffen wird oder nicht.
Afrika
Laut Bundesregierung wird Afrika bei diesem G8-Gipfel (mal wieder) besondere Aufmerksamkeit geschenkt. So soll neben der „Ausgestaltung der globalisierten Märkte“ auch „die Entwicklung Afrikas“ im Mittelpunkt stehen. Doch mit einem aufmerksamen Blick auf die Internet-Seite des Auswärtigen Amt wird schnell klar, was „die Entwicklung Afrikas“ für die G8 bedeutet. „Wirtschaftliche Entwicklung und politische Stabilität sind untrennbar miteinander verknüpft. Deswegen besitzt die Stärkung eigener gesamtafrikanischer Kapazitäten zur Konfliktverhütung und Friedenssicherung große Bedeutung.“6 Was steckt hinter diesen Zeilen? Für die Aufrechterhaltung der krisengeschüttelten kapitalistischen Weltwirtschaft ist es entscheidend, neue Märkte zu erschließen. Deswegen sollen Konflikte verhütet und Frieden gesichert werden. Es geht der G8 keineswegs um das unendliche Leid und die Not von Millionen Afrikanern, sondern darum, dass ihre Konzerne ungehindert investieren und die Afrikaner „geordnet“ ausbeuten können. Und als ob wir es noch nicht verstanden hätten, formuliert sich das Amt noch klarer: „Die afrikanischen Staaten sollen Strukturen entwickeln, die private Investitionen erleichtern.“ Das ist der wahre Grund warum Afrika auf der Agenda der G8 steht. Hinzu kommt, dass im Jahrhundert der verschwindenden Ressourcen Afrika mit seinen reichhaltigen Bodenschätzen an Bedeutung gewinnen wird. Mit zunehmendem Unmut registrieren die G8 das Engagements Chinas, in Afrika Fuß zu fassen und Rohstoffe zu importieren. Dass diese knappen Rohstoffe in den Händen der chinesischen Bürokratie anstatt der großen Konzerne sein sollen, kann die G8 nicht akzeptieren. Vor diesem Hintergrund ist klar, was von Zusätzen wie „die Bekämpfung der Armut und insbesondere der Kampf gegen HIV/Aids“ zu halten ist. In Wirklichkeit wird dem Thema Afrika auch lange nicht so viel Aufmerksamkeit gewidmet werden wie dem für den Imperialismus viel wichtigeren Thema Mittlerer Osten. Am deutlichsten wird dies durch den vehementen Schutz von Patentrechten, was die günstige Produktion von HIV/AIDS Medikamenten verhindern soll. Profit für das Kapital statt Heilung für die Bedürftigen.
Schluss mit den Lügen!
Die falschen Versprechungen und heuchlerischen Bekundungen der G8 sind nichts weiter als eine Verschleierung ihrer wahren Interessen. Wir haben gesehen, wie die G8 tatenlos minimale Zugeständnisse (wenn man davon überhaupt reden kann) als Riesenerfolge verkaufen. Auch dieses Jahr wird vor allem Angela Merkel vor die Öffentlichkeit treten und uns erzählen, was für tolle Fortschritte sie gemacht hätten. Doch wir glauben diesen Lügnern kein Wort! Der G8-Gipfel ist nichts anderes als die Organisation der Ausbeutung!
Smash G8!!!!!
Quellen:
1 http://www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org/cms/wearchiv/500188968f0e31701.php
2 + 3 http://www.2015.venro.org/service/archiv/2015_aktuell_07_05.pdf
4 http://www.britischebotschaft.de/de/news/items/060626a.htm
5 http://www.g-8.de/Webs/G8/DE/AgendaProgramm/agenda.html
6 http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Aussenpolitik/GlobaleHerausforderungen/G8