Kann die Linkspartei den Rechtsruck aufhalten?

von Jona Everdeen, April 2025 – Lesezeit: 8 Minuten

In einem unglaublichen Comeback ist die Partei die Linke innerhalb eines halben Jahres von Umfragewerten bei ungefähr drei Prozent auf ein Wahlergebnis von fast 9 Prozent geklettert. In der gleichen Zeit hat sie ihre Mitgliederzahlen auf inzwischen über 100.000 (Rekord in der Parteigeschichte) verdoppelt. Dieser Aufstieg der Linken, die zuvor in einer tiefen Krise steckte, zeigt den Wunsch vieler, große Teile davon Jugendliche und junge Arbeiter:innen, nach einer echten Alternative zum Rechtsruck. Doch wie kann „die Linke“, deren innere Widersprüche sicher nicht überwunden sind, tatsächlich den Erwartungen an sie gerecht werden und eine entschlossene Kraft gegen den Rechtsruck bilden?

Kampf gegen Rechtsruck heißt Kampf gegen Krise!

Zuerst einmal muss, was die Partei im Wahlkampf zumindest teilweise gemacht hat, die Verbindung gezogen werden zwischen der Krise und dem Rechtsruck. So machte die Linke deutlich, dass für den Aufschwung der AfD die jüngsten Angriffe auf die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen verantwortlich sind. Allerdings begründet die Linke das auf eine recht schematische Art und Weise. So würden Menschen, denen es ökonomisch schlecht geht, leicht empfänglich werden für rechte Propaganda, wenn jedoch eine linke Partei ihre Lebensbedingungen verbessere, sich davon wieder abwenden. Entsprechend auch ihr Wahlprogramm, das sehr ambitionierte Reformforderungen aufwirft, Forderungen, die wenn sie restlos umgesetzt werden würden, tatsächlich die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen enorm verbessern würden! Forderungen für die wir einen Kampf jederzeit unterstützen würden! Doch genau hier kommt es zum Knackpunkt, denn wie diese Forderungen zu erreichen sind, weiß die Partei „die Linke“ bisher nicht. In einer Regierungskoalition mit SPD und Grünen 2029 und mit Heidi Reichinnek als Kanzlerin, wird das sicher nicht passieren. Eine andere Perspektive hat die Partei „die Linke“ nicht, da ihr, wie für reformistische Parteien üblich, das Verständnis fehlt, wie man mit einer proletarischen Massenbewegung auf der Straße Siege erringen kann.

Nach dem Wahlkampf kommt der Straßenkampf!

Was es zunächst braucht, ist die Erkenntnis, dass der Wahlkampf nur eine Bühne ist für den eigentlichen politischen Kampf, der woanders geführt wird: Auf der Straße, in den Betrieben, in den Schulen und Universitäten! Positiv hervorzuheben sind bereits zweierlei Dinge: 1. Die Organisierung von Studis gegen Rechts an Universitäten und 2. Die Unterstützung von Streikposten in der Tarifrunde Öffentlicher Dienst (TVöD) durch Aktivist:innen und Mitglieder der Linken! Doch das kann nur der Anfang sein. So muss Studis gegen Rechts aufhören, bloß eine Plattform für Großmobilisierungen und den Wahlkampf zu sein und beginnen, aktiv auch an den Unis selber zu kämpfen. Und so braucht es auch ähnliche Strukturen an den Schulen und in den Betrieben. Es muss klar sein, dass der Kampf in erster Linie dort beginnt, wo uns das System zwingt, uns täglich aufzuhalten, wo unser Platz in diesem System ist. Denn dort befindet sich auch unser Hebel, dieses System herauszufordern!

Während es sehr lobenswert ist, dass die Linke die Streiks der Beschäftigten unterstützt, darf es nicht bloß bei rein symbolischer Solidarität bleiben. Die Linke muss ganz aktiv den ökonomischen Kampf der Arbeiter:innen verbinden mit politischen Forderungen, ihn zu einem politischen Kampf gegen die Kürzungen machen, muss dabei aufzeigen, dass nicht Migrant:innen für das Elend der deutschen Arbeiter:innen verantwortlich sind, sondern die deutsche Bourgeoisie und dass deutsche Arbeiter:innen Verbesserungen nur gemeinsam mit ihren migrantischen Kolleg:innen erkämpfen können! Und sie muss sich selber dafür einsetzen, ein Gegengewicht in den Gewerkschaften zu etablieren zur falschen Politik der Sozialpartner:innenschaft, die von der SPD-nahen Gewerkschaftsführung betrieben wird und immer wieder zum Verrat an den Beschäftigten und ihrem Kampf führt. Die Linke muss sich im Zuge ihrer Streiksolidarität aktiv gegen diesen Verrat stellen, und für eine Kontrolle der Tarifverhandlungen durch die Streikenden selber eintreten!

Ebenfalls muss sie aktiv die Kämpfe der Streikenden für mehr Lohn, gegen Entlassungen und für bessere Arbeitsbedingungen verbinden mit dem Kampf gegen Kürzungen, gegen den Rechtsruck, gegen Rassismus und den Kolleg:innen aufzeigen, warum diese miteinander verbunden sind. Letztendlich ist es die Aufgabe der Linken, dafür einzutreten, dass die Arbeiter:innen die verknöcherten Gewerkschaften umbauen zu ihren demokratisch kontrollierten Kampforganen gegen die Bourgeoisie. Und im Zuge davon den politischen Streik, im Betrieb sowie in Schule und Universität, als Kampfmittel Nummer 1 auf die Tagesordnung zu setzen!

Umverteilung reicht nicht – Das System ist das Problem!

Große Teile der Partei „die Linke“ haben erkannt, dass der Rechtsruck nur dann gestoppt werden kann, wenn es stattdessen eine linke Antwort auf die Krise gibt. Da stimmen wir zu und halten die Haltung der Linkspartei für richtig, dass die Wohnungsfrage zur Zeit eines der größten materiellen Probleme unserer Klasse darstellt. Allerdings reicht ein bundesweiter Mietendeckel genauso wenig, wie es der Berliner Mietendeckel getan hat! Stattdessen müssen Vonovia und Co. enteignet werden, und zwar im ganzen Land! Die Wohnungen müssen unter Kontrolle der Mieter:innen und Arbeiter:innen verstaatlicht werden! Das ist eine Forderung, wie sie eine starke proletarische Antwort bräuchte. Die Linkspartei schafft es aber nicht, eine kämpfende Bewegung von Arbeiter:innen und Unterdrückten aufzubauen, um schlagkräftig gegen Kürzungen und den immer stärker werdenden Rassismus anzukämpfen, somit fehlt eine linke kämpfende Massenbewegung und eine Führung innerhalb der Arbeiter:innenklasse.

Letztendlich setzt sie auf eine einfache Lösung: sozialstaatliche Umverteilung – und verkennt damit den eigentlichen Charakter der Krise. Diese liegt tief im kapitalistischen System selber, und fußt auf einer Überakkumulationskrise und dadurch verursachter sinkender Profitrate für die Kapitalist:innen. Einfach gesagt: das Kapital, das die Kapitalist:innen investieren, rentiert sich immer weniger. Entsprechend greift die Bourgeoisie nicht aufgrund einer besonders gierigen, einer besonders falschen, neoliberalen Doktrin die Arbeiter:innen an, sondern weil sie das tatsächlich aus ihrem Standpunkt heraus muss, um weiter profitabel zu sein. Gleichzeitig hat die Kapitalist:innen-Klasse de facto wenig Möglichkeiten für Zugeständnisse, weshalb auch eine linkskeynesianische (Kapitalismus mit großer staatlicher Intervention in den Markt) Politik massiver Sozialreformen, wie sie „die Linke“ fordert, zum Scheitern verurteilt ist. Denn wir haben immer wieder in der Geschichte gesehen, dass in Krisen und Kriegen, diese als erstes wieder zurückgenommen werden. So ist es auch heute nicht verwunderlich, aber bestürzend, dass die kommende Koalition den 8-Stunden-Tag aushöhlen will.

Auch wenn die Reformforderungen der Linken grundsätzlich einen guten Charakter haben und Folge richtiger Erkenntnisse sind, bekämpfen sie nur die Symptome des Problems, nicht aber seine Wurzel und sind somit zum Scheitern verurteilt. Die einzige Möglichkeit, wie man gravierende Verbesserungen für das Proletariat, für die Jugend, für alle Ausgebeuteten und Unterdrückten erkämpfen kann, ist, indem man das System selber in Frage stellt! Indem man dafür kämpft, dass die Produktion nicht mehr bestimmt wird durch die Interessen von Kapitalist:innen, sondern durch die Arbeiter:innen selber! Nur wenn wir eine solche Perspektive aufzeigen, die die Massen dazu bewegt, das Problem an der Wurzel zu packen und auszureißen, können wir eine linke Gegenoffensive starten, die den Rechtsruck zu einem hässlichen blau-brauen Vogelschiss der Geschichte macht!

Auf diesen Staat ist kein Verlass!

Doch während wir den Rechtsruck politisch bekämpfen müssen, in dem wir seine Ursachen bekämpfen, stellt sich auch die Frage, wie wir uns gegen rechte Gewalt schützen können. So wurde unser Genosse Leon von Faschisten angegriffen, als Reaktion darauf, dass er linke Organisation in seiner Schule aufbaut. Und auch Mitglieder der Partei „die Linke“ wurden immer wieder Opfer rechter Gewalt. Doch während Linke, wie Lina E. oder die Beschuldigten im Budapest Verfahren, mit hohen Haftstrafen rechnen müssen, kommen Faschist:innen meist im schlimmsten Fall mit einer Bewährungsstrafe davon. Das hat Gründe, die deutlich tiefer gehen als bloß, dass viele Polizist:innen selber ein extrem reaktionäres Weltbild teilen. Die Aufgabe des bürgerlichen Staates ist nämlich nicht der Schutz der „Demokratie“ oder gar der Bevölkerung, sondern der kapitalistischen Ordnung. Und für diese stellen Rechte keine Bedrohung dar. Im Gegenteil! Wenn die herrschende Ordnung in ernsthafter Gefahr ist, können sie als bewaffnete Terrorbande sehr nützlich sein. So die Freikorps, die mit aktiver Unterstützung des deutschen Staates Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten, und in den folgenden Jahren tausende Arbeiter:innen und Linke massakrierten. Oder auch die SA-Schlägerbanden, gegen die der Weimarer Staat nichts ernsthaft unternahm und die nach Hitlers Machtergreifung teils in den Staatsapparat integriert wurden. Die aktuelle Welle rechter Gewalt mag noch weit von Freikorps oder SA entfernt sein, allerdings zeigt sie uns bereits jetzt eines: Auf den Staat ist überhaupt kein Verlass.

Doch wenn der Staat uns nicht schützt, müssen wir uns selber schützen! Wir müssen selber Strukturen schaffen, um uns, unsere Genoss:innen sowie andere Opfer rechter Gewalt wie Migrant:innen, Queers oder Juden:Jüdinnen und Muslim:innen, vor dem Terror zu schützen. Es ist nötig, dass wir in unseren Kiezen, Städten und Dörfern sowie in den Betrieben, Schulen und Universitäten Strukturen schaffen, die in der Lage sind, sich den faschistischen Banden entgegenzustellen! Dafür muss die Partei „die Linke“, die selber mit am meisten von rechter Gewalt betroffen ist, aktiv ihre Mitgliederbasis mobilisieren und sich dafür in Gewerkschaften, Mieter:innenorganisationen etc. einsetzen! Auch muss das verbunden werden mit der Schaffung sozialer Angebote vor allem für Jugendliche, um zu verhindern, dass sich Nazibanden wie 3.Weg oder „Deutsche Jugend Voran“ Elend und Perspektivlosigkeit zu Nutze machen können! Die Aufgabe der Linkspartei sollte es jetzt sein, ihre zahlreichen (neuen) Mitglieder auf einer Aktionskonferenz gegen den Rechtsruck mit den oben beschriebenen Strukturen in Unis, Schulen und Betrieben und anderen Aktivist:innen zusammenzubringen, um gemeinsam über Forderungen und ein Aktionsprogramm gegen Rechtsruck & Krise zu diskutieren!

image_pdfimage_print

Related Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

86 − 77 =

Besuch uns auch auf

Unser Programm

Neueste Zeitung

Archiv