September 2006
Fidel Castro ist seit 1959 Staatschef von Cuba. Er zählte und zählt zweifellos zu den umstrittensten Persönlichkeiten des 20.Jahrhunderts, sowohl für die bürgerliche Welt als auch für alle Linken. Fidel Castro, der charismatische Revolutionsführer, der Herausforderer und Bezwinger der Weltmacht USA, jahrzehntelanger Hoffnungsträger für die Linke in Lateinamerika und auf der ganzen Welt. Fidel Castro, der skrupellose Machtpolitiker, Unterdrücker freier Meinungsäußerung, freier Presse und freier Wahlen, Führer und gleichzeitig Totengräber der kubanischen Revolution. Jetzt ist Castro 80 Jahre alt und ernsthaft krank. Zum ersten Mal seit 1959 hat er die Regierungsgeschäfte Kubas abgegeben, an seinen jüngeren Bruder Raúl. Obwohl die Medien wieder von einer Besserung Castros berichten, bleibt unsicher ob der „Máximo Lider“ wieder auf die politische Bühne zurückkehrt. Und selbst wenn wäre das nur eine Lösung auf Zeit. Was kommt nach Castro?
Als die kubanische Revolution 1959 siegreich war und die Guerilleros umjubelt nach Havanna einzogen, als sich Fidel Castro und Ché Guevara von heute auf morgen ins Blitzfeuer der Weltöffentlichkeit katapultierten, waren die beiden wohl wie niemand anderes für alle Linken auf der Welt mit Hoffnung und Aufregung verbunden. Nach 50 Jahren stalinistischer Diktatur und verknöcherter Bürokratie auf Kuba hat Castro dieses Image natürlich längst hinter sich gelassen. Doch in Kuba selbst hat die Person Fidel Castro nach wie vor einen außergewöhnlichen Stellenwert. Der Alltag der Kubaner ist seit 1990 geprägt von Knappheit und Mangel. Von revolutionärem Geist und Aufbruchstimmung ist in Kuba nur noch wenig zu spüren. Und die Kubaner haben viel aushalten müssen, seit 1990 die „período especial“ verkündet wurde. Der Geist der kubanischen Revolution hängt untrennbar mit der Person ihres unumstrittenen Führers zusammen. Castro schweißt die Kubaner nach wie vor zusammen, verkörpert die ursprüngliche Idee einer gerechteren Gesellschaft. Seit Korruption und Hinterhalt wieder Einzug in Kuba erhalten haben, leidet auch das Politiker-Image, aber „Fidel ist ja nicht Schuld“. Für die meisten Menschen auf der Welt erscheint Castro nur als verknöcherter Alt-Idealist. Für viele Kubaner vielleicht auch, aber gleichzeitig als die Verkörperung ihrer Identität.
Die Pläne der USA
Die US-Regierung sowie zahlreiche „Experten“ und Exil-Kubaner ließen natürlich mit ihrer Reaktion nicht auf sich warten. Obwohl die US-Regierung nicht auf Castros Krankheit vorbereitet war (Bush sagte wenige Tage nach der Nachricht von Castros Krankheit, dass man jetzt erst mal überlegen muss), überschlugen sie sich bald mit „Vorschlägen“ für die Zukunft Kubas. „Ich fordere das kubanische Volk auf, für den demokratischen Wandel auf der Insel zu arbeiten“ war die gängigste Aussage von Präsident Bush. Kollegin Rice bestätigte in den letzten Tagen noch mal, indem sie für „freie Mehrparteienwahlen“ in Kuba plädierte. Aber es wurde auch schon davon gesprochen, massive Wirtschaftshilfe an den Inselstaat zu gewähren im Falle eines Umbruchs. In Lateinamerika wir davon berichtet, dass die US-Regierung schon längst umfangreiche „Umsturzpläne“ mit massiver Finanzspritze für die Zeit nach Castro geplant hat (Prensa Libre, Guatemala). Da tritt wieder einmal die ganze verlogene und hinterhältige Strategie der USA zu Tage. Seit 1961 hält die USA eine Wirtschaftsblockade gegen Kuba aufrecht. Nach 1990, mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, hoben die USA diese Sanktionen keineswegs aufgehoben, sondern die Vorschriften wurden im Gegenteil unter Clinton und noch einmal unter Bush junior verschärft (so muss jede Firma, die mit irgendeiner anderen Firma Geschäfte macht, welche wiederum Kontakte nach Kuba pflegt, in den USA mit Sanktionen rechnen!). Dieses Embargo hat in Kuba zu massiven Engpässen auf allen Ebenen geführt. Besonders im Transport und in der Nahrungsmittelversorgung hatte das Embargo verheerende Folgen. Während die USA das kubanische Volk nunmehr seit 55 Jahren blockieren, seit 1990 teilweise wortgerecht hungern lassen, bieten sie nun selbstlos und hilfsbereit ihre Wirtschaftshilfe an. Dieses Verhalten ist an Heuchelei und Falschheit wirklich kaum zu überbieten! Die US-Rhetorik von „Demokratie und Freiheit“ dient auch in Kuba nur zur Durchsetzung ihrer Interessen. Sollte in Kuba ein Wandel nach Vorstellung der USA stattfinden, wäre das Privateigentum für amerikanische Firmen das erste, was wieder hergestellt, und das vorbildliche, kostenlose Gesundheits- und Bildungssystem das erste, was abgeschafft werden würde.
Zur politischen Situation auf Kuba
In der Frage über den politischen Wandel auf Kuba muss natürlich jeder Kommunist für die kubanische Revolution und gegen den Yankee-Imperialismus argumentieren. Doch ein Ende der Ära-Castro bietet auch Chancen. Seit Ché Guevara gab es in Kuba nie wieder jemanden, der neben Castro einen echten Platz eingenommen hätte. Und das kommt nicht von allein. Castro ist ein skrupelloser Machtpolitiker. Für die Bedingung einer Zusammenarbeit mit anderen Kräften hat Castro damals noch in der Sierra Maestra gefordert, ihn als unumstrittenen Führer anzuerkennen. Und das blieb die ganze Zeit über so. Politische Talente, stets streng auf Parteilinie, wurden gefordert, bis sie Castro zu groß erschienen, um dann genau so schnell wieder in der Versenkung zu verschwinden. In der kubanischen Partei wird diskutiert, aber das Thema Fidel Castro ist tabu. Wer in Kuba den „Máximo Lider“ kritisiert, hat ein Problem. Fidel Castro hat auf Kuba eine verknöcherte, bürokratische Parteiendiktatur nach Vorbild der stalinistischen Sowjetunion etabliert, klammert fest und entschlossen an der Macht und jegliche Kritik oder Initiative wird abgeblockt und erdrückt. Sowohl in Richtung Kapitalismus, aber auch in die Richtung, in die es eigentlich gehen müsste: Arbeiterdemokratie. Dass Kuba sofort nach Fidel Castro umkippt und zum Hinterhof der USA zurückkehrt, ist wenig wahrscheinlich. Vor allem weil es in Kuba wieder leicht aufwärts geht, seit Hugo Chávez und Evo Morales gegen die US-Politik mobilisieren. Doch in Kuba wird sich etwas ändern müssen. Die Kubaner werden auf den Tod ihrer lebenden Legende reagieren, und das willkürliche Befehlssystem auf Kuba wird mehr kritisiert werden als früher. Somit bietet das Abtreten von Fidel Castro auch Chancen, weil Machträume frei und Diskussionen stattfinden werden. Wir treten auch bei der Frage Kuba dafür ein, dass die Errungenschaften der Revolution erhalten und verteidigt werden, aber die Bürokratie durch eine Arbeiterdemokratie ersetzt wird. Das wird nicht von heute auf morgen passieren. Doch es gibt genug ArbeiterInnen und auch Intellektuelle auf Kuba, die den Kapitalismus zurückweisen und für eine Organisierung der ArbeiterInnen offen sind. Das ist Kubas Chance.