Peter Böttcher
Die Corona-Pandemie zeigt wie kaum ein anderes Beispiel, dass die kapitalistische Produktionsweise für gesellschaftliche Krisen besonders anfällig ist. Die als Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus beschlossenen Lockdowns führen überall auf der Welt zum Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität und damit zu massiv fallenden Aktienkursen. Die Profitverluste der Unternehmen während des Lockdowns und der plötzlich nicht mehr vorhandene Bedarf an Arbeitskräften führen zu Kurzarbeit, unbezahltem ,,Zwangsurlaub“ und auch zu Entlassungen. Am heftigsten zeigen sich die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft in den USA. Innerhalb von 4 Wochen wurden dort über 22 Millionen Menschen arbeitslos. Selbst bürgerliche Analyst_Innen in den Vereinigten Staaten gehen davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen bis Ende Mai um weitere 20 Millionen ansteigen wird. [1] Mit den bis März dieses Jahres etwa sieben Millionen erfassten Arbeitslosen kommen die USA bis Anfang Juni auf etwa 50 Millionen Arbeitslose, wohlgemerkt bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 328. Millionen Menschen. Und dabei befinden wir uns noch am Beginn der kommenden Weltwirtschaftskrise, die nun durch die Corona-Pandemie ausgelöst (aber wohlgemerkt nicht verursacht!) wurde.
Es sieht also düster aus um unsere Zukunft, und um dies zu sehen, müssen wir nicht mal auf die von der Pandemie besonders hart betroffenen USA blicken.
Dass es auch in Deutschland nicht viel besser aussieht und gerade die Jugend besonders hart von den Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen betroffen ist, zeigt unter anderem die Zahl der Studierenden, die infolge der Corona-Krise ihre Beschäftigung verloren haben. Laut „junge Welt“ vom 15.04. haben demnach über 750 000 der insgesamt ca. 2 Millionen lohnabhängigen Studierenden (69% der 2,9 Mio. Studierenden) seit dem Lockdown kein Einkommen mehr. [2] Da laut Sozialbericht des Deutschen Studentenwerks 59% der erwerbstätigen Studierenden angeben, mit ihrem Verdienst ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sind diese von der aktuellen Situation besonders betroffen. [3] Auch jene Studierende, die von monatlichen Zuwendungen ihrer Eltern abhängig sind, geraten im Falle von Kürzungen des Unterhalts durch Kurzarbeit oder Einkommensverluste ihrer Eltern in eine finanzielle Notlage.
Natürlich kann die Regierung da nicht einfach tatenlos zusehen und hat sich etwas besonders perfides in dieser Notsituation einfallen lassen: Aktuell diskutiert die Bundesregierung über den Vorschlag der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), zinslose Kredite an bedürftige Studierende zu vergeben. [4] So sollen die Studierenden indirekt selbst die Folgekosten der von den Regierungen beschlossenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung bezahlen, indem sie sich selbst verschulden. Den Vorschlag des Deutschen Studentenwerks, das Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für „pandemieverschuldete Härtefälle“ zu öffnen, hat die Bundesregierung abgelehnt. Immerhin soll das BAföG während der Corona-Krise weitergezahlt werden. Jedoch erhalten ohnehin nur etwa 18% der Studierenden BaföG-Zahlungen (Stand 2016, [3]).
Dabei haben die genannten Probleme der Studienfinanzierung und der prekären Arbeitsverhältnisse, die dazu führen, dass man soeben von einen Tag auf den nächsten seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten kann, ihren Ursprung in der neoliberalen Sparpolitik der Herrschenden. Diese haben seit Jahrzehnten in den Bereichen Bildung, Forschung und Lehre Kürzungen vorgenommen und diese chronisch unterfinanziert. Die Kosten für den Staat sollten unter dem Diktat der sogenannten „Schwarzen Null“ möglichst niedrig gehalten werden, was zu allerlei „Reformen“ in den Bereichen der Ausbildungsförderung und der Bildungsfinanzierung führte. Dass heute 2/3 der Studierenden lohnabhängig sind und sich gezwungen sehen schlecht bezahlte, befristete Arbeitsverträge unter miesen Arbeitsbedingungen zu unterschreiben, dass in der Studiengangsordnung vorgeschriebene Praktika unbezahlt sind, dass studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte oftmals die Arbeit erledigen, die eigentlich in den Aufgabenbereich von in Vollzeit angestellten und verhältnismäßig besser bezahlten wissenschaftlichen Mitarbeiter_Innen fallen, das alles sind Probleme, die schon lange vor der Pandemie existierten. Die Corona-Krise hat die miserablen Verhältnisse, unter denen eine Vielzahl der Studierenden leiden, nur für alle deutlich sichtbar an die Oberfläche gebracht und weiter zugespitzt.
Die kommende Weltwirtschaftskrise, welche sich schon vor Corona anbahnte [5], wird diese Verhältnisse noch weiter verschlechtern. Wir werden mit krassen Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich, aber auch mit weiteren Angriffen auf unsere Arbeitsrechte und weiteren Massenentlassungen rechnen müssen. Die bisherigen Auswirkungen der Corona-Krise sind nur ein Vorgeschmack auf das, was auf uns zukommen wird. Selbst bürgerliche Ökonom_Innen gehen davon aus, dass die kommende Krise alle bisherigen Wirtschaftskrisen der Menschheit in den Schatten stellen wird [6]. Und ob das Virus durch die aktuellen Maßnahmen (Stichwort Öffnungen der Schulen, Unis, Kindergärten und Geschäfte) tatsächlich wirkungsvoll zurückgedrängt werden kann, ist fraglich. Es ist auch nicht auszuschließen, dass es auch noch zu einer zweiten oder sogar dritten Infektionswelle kommen kann.
So oder so werden wir mit Angriffen der herrschenden Klasse auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen konfrontiert werden. Wenn wir diese nicht einfach hinnehmen, sondern erfolgreich abwehren wollen, müssen wir Widerstand aufbauen. Hierzu müssen wir uns organisieren und Forderungen aufwerfen, für die wir kollektiv kämpfen können, um somit Druck von unten aufzubauen. Wenn jemand von uns wegen der Corona-Krise entlassen werden soll, dann müssen wir alle zusammen dagegen streiken! Dafür müssen wir uns in die Gewerkschaften einbringen und diese zur Unterstützung auffordern!
In der aktuellen Lage treten wir im Kampf gegen die Abwälzung der Kosten der Krise auf uns Studierende für folgende Forderungen ein:
– Keine Entlassungen und uneingeschränkte Lohnfortzahlungen für alle lohnabhängingen Studierenden!
– Bedingungslose Ausbildungs(Studiums-)finanzierung durch Besteuerung der Reichen
– Tarifverträge für alle studentisch Beschäftigten, massive Ausfinanzierung von Bildung, Forschung und Lehre!
– Während studentisch Beschäftigte in der Forschung und Lehre oft die besser bezahlten Vollzeitstellen wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen als „billige Arbeitskräfte“ ersetzen, erhalten Studierende in Praktika für die beinahe gleichen Arbeiten, die von den Kolleg*innen ausgeführt werden, wegen „im Studium vorgesehener Praktika“ keine Bezahlung – Darum gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit! Gesetzliche Pflicht zur Entlohnung aller Arbeitstätigkeiten von Studierenden bei mindestens 15€/Stunde!* Bei Nichteinhaltung durch private Unternehmen müssen diese entschädigungslos enteignet werden!
Da der Kapitalismus die Ursache für die Probleme und Widrigkeiten darstellt, denen wir als Jugendliche tagtäglich begegnen, müssen wir diesen letztlich durch eine sozialistische Planwirtschaft ersetzen. In einer Gesellschaft, in der demokratisch für die Bedürfnisse der Menschen produziert wird, wäre die Umsetzung von Maßnahmen und die Unterstützung Hilfsbedürftiger kein Problem, da diese nicht der Profitlogik und den Sparzwängen unterliegen würden. Für eine solche Gesellschaft, in der nicht mehr irgendwelche Chefs oder Politiker_Innen über unser Leben entscheiden, sondern in der die Entscheidungen von uns Lohnabhängigen selber getroffen werden, wollen wir mit dir zusammen kämpfen.
*Natürlich ist jede Form von Lohnarbeit, durch die sich der von den Arbeiter*innen geschaffene Mehrwert privat von den Unternehmern angeeignet wird, immer mit Ausbeutung verbunden. Darum treten wir für eine gebrauchswertorientierte Produktionsweise ohne Privateigentum an den Produktionsmitteln ein. Jedoch kämpfen wir auch für jegliche Verbesserungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Ausgebeuteten im Hier und Jetzt.
Quellen:
[1] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/arbeitslosigkeit-usa-103.html
[2] https://www.jungewelt.de/artikel/376455.hochschulpolitik-in-der-brd-dosenravioli-auf-pump.html
[3] 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks
[4] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-karliczek-studenten-darlehen-100.html
[5] https://onesolutionrevolution.de/crash-kuerzung-und-corona%ef%bb%bf/
[6] https://perspektive-online.net/2020/03/die-schlimmste-wirtschaftskrise-aller-zeiten/