Frauenkampftag: Was für Inhalte brauchen wir?

Resa Ludivien, REVOLUTION-Germany, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Letztes Jahr beteiligten sich Millionen von Menschen am Frauenkampftag. Es scheint, als hätten immer mehr Menschen das Bedürfnis, präsent zu sein und zu sagen „Hey, auch ich find Sexismus scheiße“. Angesichts des weltweiten Rollbacks, also vermehrter Angriffe auf die Rechte von Frauen wie beispielsweise durch Donald Trump, war dies nicht verwunderlich. So gingen in den USA insgesamt zahlreiche Leute auf die Straße, um gegen Trumps sexistische Aussagen und Einschränkungen des Abtreibungsrechts zu demonstrieren. Auch in Lateinamerika gab es große Proteste. Dort im Fokus steht ebenfalls der Kampf für das Recht auf Abtreibungen und vor allem gegen Gewalt an Frauen. Denn neben Vergewaltigungen stellen die Femizide, also Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechtes, ein großes Problem dar. Aber weltweit sind Frauen nicht nur auf die Straße gegangen, um für ihre eigenen Rechte zu kämpfen, sondern auch für mehr Gerechtigkeit weltweit. In der Türkei demonstrierten Tausende Menschen nicht nur für mehr Frauenrechte, sondern auch gegen die geplante Verfassungsreform. Und in vielen weiteren Ländern verbanden die Demonstrant_Innen ihren Kampf mit ökonomischen Forderungen und traten in den Streik.

Was ist der Frauenkampftag?

Seine Ursprünge hat der Frauenkampftag in der Arbeiter_Innenbewegung. 1902 schlug Clara Zetkin auf der II. Sozialistischen Frauenkonferenz einen Intenationalen Aktionstag für die Rechte von Frauen vor, um auf die Probleme aufmerksam zu machen. Denn gesetzliche Gleichstellung, Wahlrecht, Mutterschutz oder einen gleichen Lohn für gleiche Arbeit gab es nicht. So fand 1913 der erste Intenationale Frauenkampftag statt. 1917 lösten die demonstrierenden Frauen, die unter dem Slogan „Brot, Land, Frieden“ auf die Straße gingen, in Russland sogar die Februarrevolution aus.

Und hier in Deutschland?

Auch in Berlin gingen letztes Jahr mehr Leute als üblich auf die Straße, um sich gegen Sexismus zu positionieren. Knapp 10.000 Menschen hatten das Gefühl, dass sie etwas tun müssen, in erster Linie gegen Trump und AfD. Als Organisation begrüßten und unterstützten wir die Initiative des Bündnisses, die Demonstration zu organisieren, doch muss es auch möglich sein, Kritik zu äußern:

Während in anderen Ländern das Ziel der Demonstrationen klar nach außen transportiert wurde, übertönte hier Popmusik die politischen Parolen sowie die geringen politischen Redebeiträge während der Demo. Dieses Verhalten unterminierte all die Kämpfe, die Frauen, LGBTIQA und Supporter_Innen weltweit führen müssen. Anders gesagt: Zwar schnitt der Aufruf viele politische Fragen an, allerdings wurden keine zentralen Forderungen aufgestellt, wofür man kämpfen sollte. Es wurde verpasst, das Potenzial der 10.000 Demonstrierenden zu bündeln und klare politische Forderungen aufzustellen. Die Lage der proletarischen Frau wurde nirgendwo thematisiert. Dabei ist die Klassenfrage ein wichtiger Punkt. Alleinerziehenden Müttern oder von Altersarmut betroffenen Frauen nützen mehr Frauen in Aufsichtsräten nämlich gar nichts. Es schien beinah, als würde sich auf bereits erkämpften Errungenschaften ausgeruht und sei die breite Masse zu privilegiert, um politische Inhalte ernst zu nehmen.

Der Frauenkampftag sollte auch nicht nur für die Verteidigung der eigenen Rechte oder das Aufdecken von Missständen im eigenen Land da sein, sondern auch in Solidarität mit den Kämpfen weltweit gesehen werden. Das heißt nicht, dass es ausreicht, die Forderung nach internationaler Frauensolidarität aufzustellen, sondern, dass man aktiv Kämpfe zusammenführen muss, indem man beispielsweise Aktivist_Innen von „Women in Exile“ ein Podium bietet und Forderungen formuliert, die einen gemeinsamen Kampf ermöglichen. So hätte man auch verhindern können, dass es drei Demonstrationen gab, die relativ unabhängig voneinander stattfanden. Ein weiteres Element der Spaltung des letzten 8. März in Berlin war die Frage der Nationalfahne. So verhängte das Bündnis für die Demonstration ein Fahnenverbot. Das zeigt zu einem gewissen Teil die Beschränktheit der deutschen Linken, über ihren westlich geprägten Tellerrand hinauszuschauen, da sie die Bedeutung von Nationalfahnen unterdrückter Länder nicht von denen imperialistischer Länder auseinanderhalten können. Als Revolutionär_Innen und Antiimperialist_Innen stellen wir uns an die Seite unserer kämpfenden Genoss_Innen in Palästina und Kurdistan. Ein generelles Fahnenverbot führt daher letzten Endes nur zu einer indirekten Unterstützung der Besatzer_Innen dieser Gebiete, Israels und der Türkei, da es die dort stattfindende Unterdrückung reproduziert.

Was brauchen wir?

Die Welt rückt nach rechts. Von dieser Entwicklung sind gerade Frauenrechte und Minderheiten betroffen. Auch wenn die Situation der Frau in Deutschland noch vergleichsweise erträglich ist, dürfen wir uns darauf nicht ausruhen. Denn auch hier ist die neue Rechte auf dem Vormarsch und die Gesellschaft von Sexismus geprägt. Besonders geflüchtete Frauen bekommen dies zu spüren, da sie sowohl von dem Sexismus ihrer Herkunftsländer, in denen sie so oft sehr wenige Rechte haben, bspw. keines auf Bildung besitzen, oder Zwangsehen zum Opfer fallen, als auch von dem hier in Deutschland betroffen sind. So gibt es wenige Schutzräume für geflüchtete Frauen und die Thematisierung des Alltagssexismus wurde die letzte Zeit trotz der sich zuspitzenden Lage vernachlässigt, aber sie ist da. Tagtäglich finden in Deutschland Vergewaltigungen statt. Sexistische Sprüche fallen nicht nur in der Schule, sondern auch auf der Arbeit oder im Freund_Innenkreis, und an beinah jedem zweiten U-Bahnhof ist sexistische Werbung zu finden.

Parteien wie die rechtspopulistische AfD, aber auch die stockkonservative Union, wollen Frauen zurück in den Haushalt drängen, wo sie abhängiger sind von ihrem Mann und ihnen die Selbstständigkeit einer arbeitenden Frau, sich selbst zu ernähren oder zu organisieren, fehlt. Doch den vielen Frauen, die arbeiten, geht es auch nicht viel besser, da sie nicht nur durch die Gender Pay Gap meist weniger verdienen als die Männer in ihrem Beruf oder sie in Branchen arbeiten, die an sich schon unterbezahlt sind wie bspw. Erzieher_Innen, sondern weil sie doppelte Arbeit verrichten. Die Arbeit im Betrieb und die Reproduktionsarbeit – sprich die Hausarbeit. Somit arbeiten Frauen einmal schlecht bezahlt und einmal unbezahlt. Was für ein gleichberechtigtes Leben! Die Liste an Themen ist lang. Doch auch ohne dies weiter auszuführen, ist es offensichtlich, dass der Kampf für Frauenrechte mehr denn je auch der Kampf gegen rechts und letzten Endes gegen dieses System sein muss.

Lasst uns diese Welt aus den Angeln heben!

Wir müssen uns wieder mehr als Internationalist_Innen verstehen, unsere Differenzen überwinden und hier gemeinsam kämpfen, aber auch Solidarität gegenüber den Kämpfen weltweit zeigen. Um das Potenzial des Frauenkampftages zu nutzen, müssen wir die Kämpfe von Frauen international aufgreifen und mit denen hierzulande verbinden. Beispielsweise sind drei Probleme, die in den Protesten international eine Rolle spielen, die Frage der Gleichbezahlung, der Kampf gegen die Gewalt an Frauen sowie gegen die Einschränkung der Abtreibungsrechte. Praktisch kann das so aussehen, dass die aktuelle Kampagne gegen den Paragraphen 219a ergänzt wird um die Forderung: Für das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper! Abtreibungen international legalisieren! Kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln für alle! Daneben kann man Soli-Aktionen zu Protesten in anderen Ländern machen, wie sie in Irland stattfinden, oder gar gemeinsam koordinierte Aktionstage veranstalten. Denn der Traditionscharakter des 8. März muss aufgehoben werden, damit wir uns endlich wieder mehr aktuellen Kämpfen, die auch hier in Deutschland geführt werden müssen, widmen. Unser Ziel muss es sein, eine proletarische, multiethnische, internationale Frauenbewegung zu schaffen, denn jeder Tag ist Frauenkampftag! Wir dürfen die Präsenz von Feminst_Innen sowie antisexistischer Praxis nicht nur auf den 8. März beschränken. Ein Ansatzpunkt wäre dabei beispielsweise der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Doch bei all den Aktionen und Forderungen muss klar sein, dass der Kampf gegen Sexismus und Unterdrückung einen Klassenstandpunkt hat und mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbunden sein muss.

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