3. Intifada?

Nachdem 2 Palästinenser am Dienstagmorgen 4 betende orthodoxe Juden und einen Polizisten im Zuge eines brutalen Überfalls auf eine Synagoge in Jerusalem töteten, ist der seit nun mehr als 65 Jahren andauernde Nahostkonflikt wieder in allen Schlagzeilen.

IsraelandJordan 634Schon seit Längerem rumort das Gerücht eines erneuten Palästinenser_innenaufstandes, einer 3. Intifada, durch die internationale Medienlandschaft. Der Auslöser dafür waren einige weitere Anschläge von Palästinenser_innen auf israelische Zivilist_innen in den vergangenen Wochen. Die israelische Rechte schreit nun nach Rache: Angefangen bei Präsident Benjamin Netanyahu bis hin zu extremistischen Siedler_innengruppierungen. Aber auch aus der „politischen Mitte“ sind Rufe nach Vergeltung laut geworden.
Damit wird nicht lange gezögert und auf die altbewährte Kollektivbestrafung zurückgegriffen. Die Zerstörung der Häuser der Täter und ihrer Familien wurden bereits von höchster Stelle angeordnet. Ebenso wurde der Bau von 80 weiteren illegalen Wohneinheiten in den besetzten Gebieten gebilligt. Der Bürgermeister der israelischen Stadt Aschkelon ordnete zum „Schutz der Kinder“ an, keine Araber mehr in Schulen und Kindergärten zu beschäftigen. Ferner wurden neue Gesetze erlassen, die es israelischen Bürger_innen erleichtern Waffen bei sich zu tragen.

So sehr wir die palästinensischen Anschläge der letzten Wochen, sowie jegliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung verurteilen, ist die Forderung nach Rache und Vergeltung jedoch eindeutig fehl am Platz. Vielleicht sollte Präsident Netanyahu in seinem Entsetzen über den Angriff auf ein jüdisches Gotteshaus mal in den Zeitungen der letzten 20 Jahre blättern. Dort sollte er zum Beispiel auf das Massaker in der Ibrahimi-Moschee in Hebron 1994 stoßen, bei dem der Rechtsextremist Baruch Goldstein 29 Palästinenser_innen tötete und 125 verwundete. Oder auf das geplante Attentat auf eine palästinensische Mädchenschule 2002. Oder aber auch als 2005 Eden Natan-Zada 4 palästinensische Insassen eines Busses tötete und 24 andere verletzte. Die Häuser aller dieser Terroristen stehen bis heute. Ihren Familien wurde keine Mittäter_innenschaft unterstellt. Es scheint also einen erheblichen Unterschied für den israelischen „Rechtsstaat“ zu machen, wer bei solchen Attentaten ums Leben kommt.

Man muss jedoch gar nicht soweit in der Geschichte zurückgehen, um die Wut der Palästinenser_innen zu verstehen. Die meisten von ihnen waren noch dabei ihre toten Verwandten aus dem Gazakrieg im Sommer dieses Jahres zu begraben und ihre zerstörten Häuser wieder aufzubauen, als es in der ganzen Westbank und Israel zu Zerstörungen und Brandstiftungen gegen muslimische Glaubenseinrichtungen kam. Ferner betraten Rechtsextremist_innen eine der heiligsten Stätten des Islams, das Gelände der Al-Aqsa Mosche, um dort den Anspruch auf den Bau eines jüdischen Tempels geltend zu machen. Es kam zu etlichen Festnahmen von Protestierenden und zu Zerstörungen innerhalb der Mosche durch die Polizei.

Unsere Medien sprechen davon, dass das Alles das Resultat eines Krieges der Religionen sei. Das Judentum und der Islam würden um die Alleinherrschaft im „Heiligen Land“ kämpfen. Diese Ansicht ist bis in die Schule und die Uni weit verbreitet. Jedoch war weder die Staatsgründung Israels noch der Widerstand der Palästinenser_innen ein religiöser Akt. Erst im Laufe der Zeit wurde der Krieg um Israel/Palästina von unterschiedlichen Seiten religiös aufgeladen, um die wahren Machtinteressen dahinter zu verbergen: Nämlich die wirtschaftlichen und geo-strategischen Interessen des europäischen und amerikanischen Imperialismus, sowie die Machtpolitik der herrschenden Klasse aus Saudi-Arabien, Qatar und Quweit. Alle beteiligten Machtinteressen waren zudem von Anfang an darauf bedacht, das Entstehen einer organisierten starken Linken, die eine neue Perspektive aufzeigen könnte, zu verhindern. Rückwärts gerichtete religiöse Gruppen konnten deshalb schnell erstarken und Zuspruch erlangen.

Ebenso vergisst die bürgerliche Presse, die Gewalt zu erwähnen, die neben den Massakern und Attentaten tagtäglich fortgeführt wird: der Bau der Mauer zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten, der weitere Ausbau illegaler Siedlungen außerhalb der Waffenstillstandslinie, die Zerstörung palästinensischer Häuser in Ostjerusalem, das Abschneiden palästinensischer Dörfer von der Wasserversorgung, alltäglicher Rassismus gegen Palästinenser_innen in Israel, sowie die wirtschaftliche und militärische Blockade des Gazastreifens.

Die Gewaltspirale, die ihren Anfang mit der Staatsgründung Israels und der Vertreibung von tausenden Palästinenser_innen aus ihren Häusern nahm und bis heute neue Gräber auf den Friedhöfen beider Seiten schaufelt, kann nur durch eine Intifada gestoppt werden! Eine Intifada wie sie die politische Führung der Palästinenser_innen fordert, nämlich eine Intifada aus Selbstmordattentäter_innen und Anschlägen gegen Zivilist_innen, kann nur das Gegenteil bewirken und neue Tote und eine Fortführung des Krieges bedeuten. Wir benötigen eine Intifada der Arbeiter_innen und der Jugend: Eine Intifada, die gegen die israelische Besatzung kämpft und sich ebenfalls von der Unterdrückung ihrer eigenen herrschenden Klasse befreit. Eine Intifada, die bereit ist, sich mit dem israelischen Proletariat und allen weiteren Befreiungsbewegungen des Nahen Ostens zu verbünden und zusammen für eine freie, gleiche und solidarische Gesellschaft zu kämpfen. Eine Intifada, die die Bomben nicht auf ihre israelischen oder palästinensischen Genoss_innen, sondern auf die Kriegstreiber_innen und Unterdrücker_innen, ob Netanyahu, Hamas, Fatah, Obama oder Merkel, wirft. Eine Intifada, die die Profiteure der Besatzung, die Firmenchefs und Waffenfabrikant_innen, durch Massenstreiks entwaffnet. Eine sozialistische Inifada! Eine permanente Revolution!

Ein Artikel von Marvin Schutt, REVOLUTION Berlin

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