Es sind nicht wir die, die behindert sind, sondern der Kapitalismus, der uns behindert!

Wir verstehen den Begriff Behinderung* nicht als medizinische Kategorie, wie es die in kapitalistischen Gesellschaften geläufige Begriffsverwendung ist (deshalb immer das Sternchen * dahinter). Unserer Ansicht nach ist niemand behindert, sondern Menschen werden behindert gemacht. Eine Behinderung* entsteht also nicht als Strafe Gottes, als Laune der Natur oder aufgrund biologischer Defizite sondern durch gesellschaftliche Ausschlusspraktiken. Kapitalistische Gesellschaften verfolgen nicht den Zweck, allen Menschen auf der Basis ihrer individuellen Bedürfnisse ein gutes Leben zu ermöglichen, sondern möglichst schnell möglichst viel Profit zu erwirtschaften. Sie versuchen sich deshalb also nicht an besondere Bedürfnisse anzupassen sondern unprofitable Elemente zu selektieren.

Ihren grausamsten Ausdruck fand diese kapitalistische Praxis im Nationalsozialismus, in dem sogenanntes „lebensunwertes Leben“ planmäßig ausgelöscht wurde. Doch auch nach 1945 wurden Menschen mit Behinderung* zwar nicht mehr systematisch ermordet, waren aber weiterhin ähnlichen Aussonderungsmechanismen unterworfen. Weiterhin wurde ihnen jegliches Recht auf Selbstbestimmung aberkannt. Unter schlimmsten Bedingungen wurden sie abseits der Gesellschaft in Heime und andere Institutionen gesperrt, in denen lediglich das totale Gesetz der Heimleitung galt. Diese Institutionen definieren die Grenzen, die Menschen mit Behinderung* von gesellschaftlicher Teilhabe abhalten. Insbesondere Frauen mit Behinderung* leiden unter dieser Entrechtung, da sie in dieser Situation noch häufiger Opfer sexueller Gewalt werden.

Durch die Selbstorganisation von Menschen mit Behinderung* und politische Kämpfe konnten bis heute erhebliche Verbesserungen für die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung erkämpft werden. Dennoch gilt im Kapitalismus weiterhin die Verwertungslogik, die Behinderung als medizinisches Problem versteht. Wenn überhaupt nach Lösungen gesucht werden, dann lediglich medinizinisch-technische. Sattdessen braucht ein gesellschaftlich-gemachtes Problem auch gesellschaftliche Lösungen.

In einer Zeit der Krise und damit verbundenen Sparprogrammen, sind Menschen mit Behinderung* die ersten, die unter Kürzungen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich leiden müssen. Die Kürzungspolitik von Regierungen auf der ganzen Welt wird zur „Hexenjagt“ gegen jene, die als „zu krank zum arbeiten“ betrachtet werden und keine eigene Stimme in Politik oder Mainstreammedien haben. Menschen mit Behinderung* sind systematisch dazu gezwungen, niedrigere Gehälter und schlechtere Positionen in Konzernen zu akzeptieren. So weigern sich private Firmen auch dagegen Arbeiter_Innen mit mentalen Beschwerden oder körperlichen Einschränkungen – die nicht selten aus ihrer Arbeit heraus entstehen – zu unterstützen. Im Gegenteil versuchen die Bosse diese Einschränkungen noch als Entschuldigung dafür zu nutzen, sie mehr auszubeuten als andere. Nicht einmal ein Anspruch auf den gesetzlich garantierten Mindestlohn wird ihnen zugesprochen.

Aber auch außerhalb der Arbeitsstätten sind Menschen mit Behinderungen* andauernder Diskriminierungen und Einschränkungen unterworfen. Der öffentliche Nahverkehr und öffentliche Plätze sind oft nicht für sie ohne die Hilfe anderer zugänglich. Wenn nicht das, dann sind Menschen mit Behinderung* oft von sozialer Ausgrenzung, Vorurteilen, Mobbing oder sogar der Aufhebung grundlegender Menschenrechte betroffen. Das trifft besonders auf halbkoloniale Länder wie zB. Indien zu, in denen Menschen mit Behinderung* am absoluten Rand der Gesellschaft leben und nur mit Hilfe der Familie oder als Bettler_Innen auf der Straße überleben können. Dort wo es keinerlei oder wenig staatliche Unterstützung für jene gibt, die sich am wenigsten selbst helfen können, wird diese Aufgabe meistens den Frauen aus der Familie aufgebürdet. Doch Behinderungen* sind nicht die Angelegenheit des_der Einzelnen – insbesondere da viele von ihnen direkt oder indirekt aus der kapitalistischen Ausbeutung, Stress, gefährlichen Arbeitsplätzen, einem unzureichenden Gesundheitssystem, ungesunder Ernährung oder Hunger erwachsen. Gegen die Diskriminierung und Entrechtung von Menschen mit Behinderung* vorzugehen ist daher ein elementarer Bestandteil des Klassenkampfes!

Revolution fordert deshalb:

  • Gleiche Bezahlung und die Überwachung der Löhne durch Arbeiter_Innenkomitees!
  • Zurücknahme aller Kürzungen und für den massiven Ausbau von Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen. Bezahlt durch die Besteuerung der Reichen.
  • Umfassende finanzielle Hilfe durch den Staat. Niemand sollte ein_e Gefangene_r des eigenen Heims aufgrund körperlicher Behinderung sein.
  • Bessere Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal, um Überarbeitung und das damit verbundene Leiden der zu Betreuenden und deren Familie zu verhindern.
  • Überwachung der Arbeitsbedingungen in den Betrieben, sowie der Pflege von Menschen mit Behinderung, durch Komitees der Betroffenen und die Organisationen der Arbeiter_Innenklasse!
  • Für das Recht von Menschen mit Behinderung Caucuse in den Organisationen der Arbeiter_Innenklasse zu gründen.
  • Schluss mit jeder Form der Diskriminierung, insbesondere mit reaktionären und religiösen Ideen, dass Behinderungen eine Bestrafung oder eine Art moralischer „Test“ wären!
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