Neue militärische Eskalation in Libyen!

Unser Autor Jonathan Frühling erklärt, was genau in Libyen los ist und warum niemand darüber spricht.

Während hierzulande Corona die Nachrichtenwelt dominiert, gehen die kriegerischen Konflikte zwischen Imperialist_Innen und Regionalmächte unvermindert weiter. Dabei ist ein alter Konfliktherd mit besonderer Heftigkeit wieder ausgebrochen: Libyen.

Libyen ist ein weitläufiger nordafrikanischer Wüstenstaat mit einer Bevölkerung von knapp 7 Millionen Menschen. Das BIP beträgt ca. 30 Mrd. US-Dollar, was ungefähr der wirtschaftlichen Stärke Syriens entspricht, wobei die Wirtschaft vor allem auf der Förderung von Öl basiert.

2011 wurde der langjährige Diktator al-Gaddafi durch einen Bürgerkrieg gestürzt. Damals zerfiel die Armee und es bildeten sich lokale Milizen, die von der NATO aus der Luft unterstützt wurden. Recht bald nach dem Krieg ist diese Allianz gegen al-Gaddafi jedoch zerfallen und hat zu einem bis heute andauernden Bürger_Innenkrieg geführt.

Politische Ausgangslage

Das Land ist momentan gespalten in einen Ost- und einen Westteil. Der Westen wird geführt von der Übergangsregierung GNA (Government of National Accord) unter dem Ministerpräsidenten as-Sarradsch, indem er die ehemalige Hauptstadt Tripolis und die umliegenden dicht besiedelten Gebieten kontrolliert. Diese Regierung wird auch von der UN als die legitime Regierung anerkannt und vom Westen unterstützt. Im Osten herrscht der General Haftar und seine Libyan National Army (LNA), die auch einen Großteil der Ölquellen unter ihrer Kontrolle haben. Er stützt sich auf eine Reihe von im Nord-Osten des Landes ansässiger Stämme, die hoffen, bzw. hofften, nach seinem Sieg eine bevorzugte Stellung im neuen Staat zu erhalten.

Neuste Entwicklungen

Vor gut einem Jahr begann das Militärbündnis von Haftar mit einer großangelegten Offensive, die zu der Eroberung der Hauptstadt Tripolis führen sollte. Politische Verhandlungen hatte Haftar zuvor abgebrochen. Bei der Offensive wurden einige Erfolge erzielt und bis in die Vorstädte der Hauptstadt Tripolis eingedrungen. Dann allerdings stoppte die Offensive, denn die GNA bekam militärische Unterstützung vor allem durch die Türkei. Diese sendete unzählige Schiffe mit schwerem militärischen Gerät, vor allem gepanzerte Fahrzeuge, sowie der Türkei treuen Islamisten aus Syrien, was wohl ausschlaggebend für die Wende im Krieg war.

Dadurch konnten die Truppen der GNA selbst offensiv werden und Städte im Westen des Landes und südlich von Tripolis zurückerobern. Die Rückeroberung eines großen Militärflughafens war dabei der jüngste Erfolg. Dies hat zudem dazu geführt, dass die Türkei nun eine festere militärische Präsenz als bisher aufbauen kann. Zudem kann die Türkei die GNA Truppen jetzt komfortabel aus der Luft unterstützen und damit die fast vollständige Lufthoheit Haftars Truppen brechen.

Die Militärallianz der Regierung Haftars droht aufgrund dieser Rückschläge zu zerbrechen, da es nämlich in Libyen auf keiner Seite eine zentral strukturierte Armee gibt. Vielmehr gibt es lokale Milizen, die vor allem ihre eigene Macht im Auge haben und deshalb leicht die Seiten wechseln können. In den von der GNA eroberten westlichen Städten haben die lokalen Milizen, vorher noch auf Haftars Seite, bereits der GNA die Treue geschworen.

Doch nicht nur die lokale Unterstützung Haftars bröckelt. Russland, welches bislang Haftar unterstützte, hat seine Militärberater_Innen und militärisches Gerät, wie z.B. Flugabwehrraketen aus der Frontnähe in den Osten des Landes abgezogen. Russland scheint also zumindest die Hoffnung auf eine baldige Offensive zur Rückeroberung der verlorenen Gebiete zu bezweifeln. Auch von Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emiraten hört man bisher zur Unterstützung der LNA wenig. Dabei hatte Ägypten bei einer Ausweitung des Krieges durch die Türkei vor einigen Monaten noch mit dem Einsatz von Bodentruppen gedroht.

Hunderte Menschen haben in dem letzten Jahr der Kämpfe den Tod gefunden. 200.000 wurden gezwungen, ihre Häuser zu verlassen.

Die Lage von Flüchtenden

Das subsaharische Afrika ist von völliger Verarmung, Rechtlosigkeit und Kriegen geprägt. Deshalb fliehen viele Menschen, um Arbeit in Europa zu finden. Lange Zeit diente der Diktator al-Gaddafi der EU als gutbezahlter Türsteher der Festung Europa. Nach dem Sturz Gaddafis nutzen nun viele Flüchtende das entstandene Chaos, um in Libyen zu versuchen, illegal nach Europa überzusetzen. Dabei müssen sie sich in die Hände von skrupellosen Schleppern begeben. Oftmals werden sie vergewaltigt und/oder geraten in die Hände von Menschenhändlern, die sie versklaven. In Libyen wartet eine Regierung auf sie, die sich von der EU bezahlen lässt, mit militärischer Gewalt das Übersetzen von Flüchtlingen zu verhindern. Viele Boote werden sogar noch außerhalb der libyschen Gewässer zur Rückkehr gezwungen. Menschen auf der Flucht werden gefangen genommen und interniert. Dort warten jahrelange Inhaftierung unter erbärmlichen Bedingungen auf sie. Zudem sind Folter und Missbrauch an der Tagesordnung, sodass nicht wenige durch Selbstmord diesem Schrecken entfliehen.

Forderungen

Klar ist für uns als Kommunist_Innen, dass das Land in ein solches Chaos abgedriftet ist, weil die Revolution zwar das diktatorische Regime von Gaddafi gestürzt hat, die Eigentumsfrage aber unangetastet ließ. Wie viele Revolutionen im sogenannten „Arabischen Frühling“ hatten auch die Bewegungen in Libyen große Potentiale, eine neue Gesellschaft aufzubauen. Ihr trauriges Schicksal erinnert an die ägyptischen oder syrischen Aufstände, in denen ebenfalls die Arbeiter_innenklasse nicht die programmatische Führung über die Widerstandsbewegungen übernahm und somit den Weg für neue machthungrige Cliquen frei machte statt ihr objektives Interesse an allgemeiner Emanzipation zu verfolgen. Ähnliche Fragen stellen sich heute auch für die aufständischen Bewegungen im Libanon oder im Irak.

Keine der in Libyen momentan befehlenden Milizen oder Milizverbände hat ein Interesse daran, Verbesserungen für die lokale Bevölkerung einzuführen. Letztlich geht es nur darum, welche kapitalistischen Cliquen und hinter ihnen stehenden Mächte die Kontrolle über das Land, bzw. die Ölreserven des Landes, bekommen.

Wir als Vertreter_Innen der Arbeiter_Innenklasse vertreten eine ganz andere Position: Wir treten für eine Bewegung der Arbeiter_Innen und Bäuer_Innen ein, die Schluss macht mit Fremdherrschaft und Ausbeutung.

Um das zu erreichen, müssen wir für folgenden grundlegenden Forderungen kämpfen:

  • Für Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und Organisationsfreiheit
  • Regionalmächte und Imperialisten raus aus Libyen. Keine Kriegsunterstützung für bürgerliche Milizen!
  • Entwaffnet und zerschlagt die Milizen, die das Land seit 2011 ins Chaos getrieben haben!
  • Für eine Enteignung des Großgrundbesitzes. Das Land muss denen gehören, die es bestellen!
  • Für eine Vergesellschaftung der Industrie. Die Wirtschaft soll nach einem Plan der Produzent_Innen und Konsument_Innen reorganisiert werden!
  • Keine Folter und Internierung von Geflüchteten. Jeder Mensch, der Libyen nach Europa verlassen will, soll dies ohne Einschränkung tun können!
  • Für den Aufbau einer revolutionären Partei unter deren Banner die Unterdrückten sich sammeln, bewaffnen und kämpfen können!
  • Für ein sozialistische Föderation der Staaten Nordafrikas!
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