Von Lukas Pfaff, Januar 2025
Alle Jahre wieder: die LLL-Demo steht vor der Tür. Wie jedes Jahr läuft im Januar im Gedenken an die ermordeten Revolutionär:innen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (sowie für viele auch Lenin) die LLL-Demo vom Frankfurter Tor zum Friedhof der Sozialist:innen. So weit so wichtig. Doch für die meisten Linken in Deutschland ist das an diesem Wochenende nicht der zentrale Termin: Die AfD hält ihren Bundesparteitag ab und die Mobilisierung zur Blockade und sonstigen Gegenprotesten läuft schon auf Hochtouren. Wir als REVOLUTION werden nach Riesa fahren und die LLL-Demo depriorisieren und rufen andere kommunistische Kräfte dazu auf, dies ebenfalls zu tun. Denn letztendlich ist es das Notwendige, dass wir in der bürgerlich geprägte Anti-AfD-Bewegung einen starken klassenkämpferischen und revolutionären Pol etablieren.
Die LLL-Demo ist für die kommunistische Linke ein symbolträchtiger Moment. Die sonst so gespaltene Bewegung, in der es scheint, als hätte jeder ein Problem mit jedem, schafft es doch mal, sich zusammenzufinden und geeint durch die Ostberliner Straßen zu ziehen. Besonders für junge Kommunist:innen bietet sie die Gelegenheit, sich als Teil einer größeren Bewegung zu erleben, Überblick über die Organisation zu gewinnen und im wahrsten Sinne des Wortes Flagge zu zeigen. Die Demo hat für andere Kommunist:innen eine gewisse Strahlkraft auch über Deutschland hinaus, da sie traditionsreich ist, aber auch weil es eine mittelgroße Demo ist, auf der fast ausschließlich kommunistische Kräfte teilnehmen, und das ist etwas Besonderes. So rot doch das Fahnenmeer ist, so blass ist aber der politische Ausdruck. Auch wenn sich das über die letzten Jahre etwas gebessert hat: Die Demo scheint in weiten Teilen weiterhin ein „rotes Volksfest“ zu verbleiben, auf dem kommunistische Organisationen sich als diejenige mit den meisten Fahnen, dem bolschewistischsten Auftreten und den meisten Kadern profilieren wollen. Vor allem die anderen Gruppen dürfen gerne sehen, dass man zahlreich und kämpferisch erscheint. Das Huldigen des eigenen auserwählten tollsten Kommunisten, ob Mao, Stalin, Gonzalo, Hoxha oder Trotzki, darf natürlich auch nicht fehlen. Obwohl es gut ist, Material und ein paar Worte mit anderen Kommunist:innen auszutauschen, scheint der politische Mehrwert und vor allem die gesellschaftliche Außenwirkung gering. Die letzten 2 Jahre hat es die Demo nur wegen der exzessiven Polizeigewalt in die bürgerliche Presse geschafft. Nichtsdestotrotz ist es aber gut, dass diese Tradition aufrechterhalten wird und es ein Ort ist, in der die kommunistische Linke in Kontakt miteinander kommt und man sich der langen und blutigen Geschichte der Arbeiter:innenbewegung besinnt. Deswegen nehmen wir auch normalerweise an dieser teil und würden das auch dieses Jahr tun, wenn nicht der Bundesparteitag der AfD anstünde.
Der Rechtsruck nimmt immer bedrohlichere Formen an. Der klarste Ausdruck dessen ist in Deutschland die AfD, die bei der kommenden Bundestagswahl in Umfragen gerade auf dem zweiten Platz liegt. Aber auch die anderen Parteien schwenken auf einen rechten Kurs ein, indem es heute als normal gilt, so dermaßen rassistische und militaristische Positionen zu vertreten, wie sie vor 15 Jahren sich kaum einer getraut hätte. Und das ist eine entscheidende Bedrohung für unsere Errungenschaften: Der Abbau des Rechts auf Asyl, zunehmende Angriffe auf unseren Lebensstandard und sozialer Absicherung sowie die Einschränkung unserer Organisations- und Meinungsfreiheit werden sich unter einer kommenden rechtsgeführten CDU-Regierung nur noch umso krasser beschleunigen. Merz untergräbt die „Brandmauer“ mindestens testweise offen, aber definitiv durch seine immer rassistischeren Tiraden. Der Kampf gegen den Rechtsruck ist eine unmittelbare Notwendigkeit.
Seit der großen bürgerlich geprägten Demowelle Anfang 2024 blieb der Widerstand gegen die AfD jedoch überraschend ruhig. Das einzige strahlende Beispiel: Mitte 2024 hat das Widersetzen-Bündnis die Blockade des AfD-Parteitags in Essen organisiert und dabei beachtliche 70.000 Menschen mobilisiert, von denen 10.000 durch Blockade-Aktionen den Ablauf des Parteitages verzögerten. Und so soll es auch diesen Januar Widerstand gegen den vorgezogenen AfD-Bundesparteitag in Riesa geben. Das Bündnis ist nach wie vor ein bunter Mix aus Parteien, Gewerkschaften und Orgas wie Aufstehen gegen Rassismus oder dem VVN-BdA. Von Klassenkampf kann hier nicht die Rede sein, vielmehr geht es um rote Haltelinien, um Zivilgesellschaft, gewissermaßen auch um eine Moralfrage als gute Demokrat:in – und um eine bewusste Begrenzung der Aktion auf besagte Mobilisierung gegen den Parteitag.
Dass es viel mehr bräuchte im Kampf gegen den Rechtsruck, dessen parteilicher Ausdruck die AfD ist, ist für Kommunist:innen offensichtlich. Die Politik der Ampel hat durch ihren Abbau demokratischer Rechte, ihre brutale Abschiebepraxis, den Ausbau der Festung Europa, durch ihre Unterstützung des Genozids in Gaza und der aktiv vorangetriebenen weiteren Verelendung großer Teile der deutschen Arbeiter:innenklasse zugunsten der Konzerne anschaulich gezeigt, dass ein Kampf gegen die AfD allein nicht ausreicht, wenn man sich dem Rechtsruck entgegenstellen will. Letztendlich ist der Rechtsruck die bürgerliche Antwort auf die Notwendigkeiten der gesellschaftlichen Krisen und so muss eine effektive Antwort auch antikapitalistisch sein. Doch wegen des Zusammenfallens des Termins mit dem LLL-Wochenende wird diese revolutionäre Position in Riesa nur geschwächt auftreten können.
Und damit wiederholt sich Lützerath 2023: Damals haben wir auch nur mit einigen wenigen Genoss:innen an der LLL-Demo teilgenommen, da wir als Organisation uns entschieden hatten, den Kämpfen der aktuellen Zeit Priorität einzuräumen und stattdessen unsere Genoss:innen nach Lützerath mobilisiert. Dort, wie generell in der Klimabewegung, waren linksbürgerliche und anarchistische Ansätze dominierend, kommunistische Positionen wurden nur wenig vertreten. Zwar wurde in Lützerath eine enorme Entschlossenheit gezeigt und den aus ganz Deutschland angekarrten Cops erbittert Widerstand geleistet, jedoch blieb eine Perspektive, wie Lützerath wirklich hätte gerettet werden können, wie die Klimakrise wirklich gelöst werden kann, aus. Dass diese Perspektive fehlte, war auch, wenn gleich die Ursachen natürlich wesentlich komplexer sind, dem verschuldet, dass Hunderte, wenn nicht Tausende Kommunist:innen lieber zur alljährlichen Fahnenparade gingen als im Morast vor Lützerath zusammen mit – und damit auch um die Führung von – der damals größten fortschrittlichen Bewegung zu kämpfen.
Und das erinnert doch verdächtig an dieses Jahr. Auch wenn das Widersetzen-Bündnis möglichst breit und damit auch inhaltsleer ist, sind ihre Aktionen momentan eine der wenigen Ausdrücke von massenhaftem Widerstand und damit ist es eine revolutionäre Pflicht, dieses Vorhaben zu unterstützen. Einerseits auf Grund der Notwendigkeit, sich der Reaktion dort, wo sie auftaucht, in den Weg zu stellen. Andererseits weil die Mobilisierung für die Blockade des AfD-Parteitags ein breites Interventionsfeld für linke Kräfte darstellt, um ihre Positionen unter diejenigen zu bringen, die empfänglich für eine klassenkämpferische Politik sind. Die kommunistische Bewegung muss sich an genau diesen Stellen als kampfeswillige und zuverlässige Kraft beweisen, wenn sie wieder relevant werden will.
Die Mobilisierung ist zwar bunt, hält sich extrem zurück mit politischem Inhalt über „Die AfD ist doof, Björn Höcke ist ein Nazi“ hinaus. Dennoch werden hoffentlich Zehntausende dem Aufruf des Bündnisses folgen, mit gutem politischem Willen im Gepäck und der Motivation, sich gegen Rechts einzusetzen. Auch der große Widerhall von „Studis gegen Rechts“ in der Student:innenschaft, die die Mobilisierung nach Riesa in den Mittelpunkt stellen, deutet darauf hin. Und unter all diesen Leuten sind auch viele, die mit der zahnlosen Politik vom Typ Widersetzen nicht einverstanden sind und nach einer revolutionären Perspektive suchen. Das haben die Auseinandersetzungen über den längerfristigen Kurs des Bündnisses auf der Widersetzen-Konferenz in Leipzig im November gezeigt. Der Zustand der Linken in Deutschland erlaubt es uns nicht, eine Mobilisierung wie diejenige zum AfD-Parteitag in Riesa unbeachtet zu lassen. Im Gegenteil: die Intervention in diese Mobilisierung ist die Pflicht kommunistischer Kräfte. An diesem Wochenende lieber zum X.ten mal vom Frankfurter Tor zum Friedhof der Sozialist:innen zu laufen, sich dabei kämpferisch zu geben und sich fernab der Massen seines eigenen Kommunist:in-Seins zu vergewissern, ist deshalb alles, nur nicht revolutionär.
Oder um es kurz zu machen: Bevor du mit deiner Gruppe zur LLL-Demo gehst, stellt dir doch mal die Frage: Wo wären Luxemburg, Liebknecht und Lenin eigentlich an dem Wochenende?